02.09.2021

Rechnen mit Licht

Millionenförderung für internationales Forschungszentrum zu photonischem Quantencomputing.

Mit „Profilbildung 2020“ ermöglicht das NRW-Ministerium für Kultur und Wissenschaft (MKW) Freiräume für die Entwicklung zukunfts­weisender Forschungsthemen und die nachhaltige Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der jeweiligen Einrichtungen. Dafür stellt es jährlich rund eine Million Euro Fördergelder pro Vorhaben zur Verfügung. Anknüpfend an vorhandene Stärken sollen Potential­bereiche ausgebaut werden, die zu einer Weiter­entwicklung der Forschungsprofile beitragen. Die Universität Paderborn hat sich jetzt erfolgreich mit einem Antrag für den Potential­bereich „Photonisches Quantencomputing“ durchgesetzt.

 

Abb.: Wissenschaftler der Universität Paderborn arbeiten an der Realisierung...
Abb.: Wissenschaftler der Universität Paderborn arbeiten an der Realisierung eines photonischen Quantencomputers. (Bild: U. Paderborn, Besim Mazhiqi)

Darin verfolgen Wissenschaftler einen interdisziplinären Ansatz zur Realisierung eines photonischen Quantencomputers. An einem Standort sollen künftig alle Schritte von der Grundlagenforschung zu neuen Quantenalgorithmen über die Modellierung großer, komplexer Quantensysteme bis hin zur Realisierung photonischer Quanten­netzwerke für entsprechende Computing-Anwendungen vereint werden. Das Vorhaben hat auch zum Ziel, eine neue Generation ausgezeichneter Forscher unter Berücksichtigung der Geschlechter­gleichstellung im Bereich Quantencomputing auszubilden. Mit dem Profilbereich soll sich Paderborn als international sichtbares Zentrum für photonische Quantentechnologien etablieren.

„Die Gestaltung und Nutzbarmachung der sogenannten zweiten Quantenrevolution gehört zu den zentralen Herausforderungen unseres digitalen Jahrhunderts. Insbesondere der Quantencomputer mit seiner bisher unerreichbaren Rechenleistung wird unweigerlich zu essenziellen Veränderungen von Technik und Gesellschaft führen“, sagt Projekt­leiterin Christine Silberhorn. Allerdings sei der Weg bis zur Realisierung anwendungs­spezifischer Quantencomputer laut Silberhorn noch lang. Entscheidende Fragen seien bis dato offen und Lösungen oftmals nur in Ansätzen erkennbar.

Das wollen die Wissenschaftler ändern: Im Kern des großangelegten Vorhabens steht die parallele und aufeinander abgestimmte Entwicklung quanten­photonischer, quanten­informations­theoretischer und mathematisch-algorithmischer Modelle und Techniken, die das volle Potenzial photonischer Quantencomputer ausschöpfen. Perspektivisch soll nicht weniger als ein national und international führendes Forschungszentrum im Bereich photonisches Quantencomputing entstehen. Dazu Silberhorn: „Die treibenden wissenschaftlichen Fragestellungen sind zum einen mit dem Aspekt der Skalierbarkeit photonischer Quantensysteme verknüpft, zum anderen müssen algorithmische Grundlagen und praktikable Anwendungen mit photonischen Quantensystemen erforscht werden.“

Und das hat es in sich: Die Anwendungen sind hochkomplex und müssen zudem robust gegenüber Datenverlusten und Umgebungseinflüssen sein. „Dafür ist es notwendig, hochintegrierte Systeme zu entwickeln. Während in der Quanten­kommunikation Anwendungen und informationstheoretische Techniken schon recht gut verstanden sind, ist die Situation im Quantencomputing anders“, so Silberhorn weiter. Deshalb sollen inter- und transdisziplinäre sowie internationale Kollaborationen aufgebaut werden, die sich gezielt mit Hindernissen in der Forschung beschäftigen, die eine Einzeldisziplin allein nicht überwinden kann. Dadurch werde es laut Silberhorn erstmals möglich, flexible und bisher nicht realisierbare integriert optische Systeme für das Quantencomputing bereitzustellen.

An der Initiative sind Wissenschaftler aus den Fakultäten für Elektrotechnik, Informatik und Mathematik sowie Naturwissenschaften, federführend aus dem Department Physik, dem Institut für Informatik und der Elektrotechnik sowie aus den Bereichen der angewandten und reinen Mathematik beteiligt. Durch den gezielten Zusammenschluss verschiedener Kernkompetenzen wird das Forschungsfeld des photonischen Quantenrechnens systematisch erschlossen und neue Synergien weit jenseits der Kapazitäten der einzelnen Disziplinen erzeugt.

Dabei ist die Etablierung neuer Strukturen, die das Thema aus der Grundlagenforschung der Physik in die Forschungsaktivitäten der Ingenieur­wissenschaften überträgt, in der deutschen Forschungslandschaft nahezu einmalig. Darauf ist auch Universitäts­präsidentin Birgitt Riegraf stolz: „Durch die Bündelung unterschiedlicher Disziplinen ergibt sich eine geballte Forschungsstärke, die auf den herausragenden Kompetenzen und der jahrelangen Arbeit der ausgezeichneten Forscherinnen und Forscher basiert. Dieser Erfolg, der die Paderborner Forschung international noch sichtbarer macht, ist großartig.“

Besonders ist vor allem auch die Ausbildung von Nachwuchswissenschaftlern, die alle Aspekte photonischer Quanten­technologien mit dem Schwerpunkt „Quantum Computing“ vermittelt. Dafür soll ein interdisziplinäres Graduiertenkolleg errichtet werden. Silberhorn: „Hier besteht die Chance, sich als erster ausgewiesener Standort für Quanten­photonik-Ingenieure unter der besonderen Berücksichtigung der Chancen­gleichheit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Deutschland zu etablieren.“ Darüber hinaus wird die Einrichtung eines interdisziplinären Master­studiengangs „Quantencomputing“ angestrebt.

Schon jetzt werden kritische Technologien, die der Entwicklung eines photonischen Quantencomputers zugrunde liegen, in Paderborn sukzessive etabliert. Mit der im vergangenen Jahr genehmigten Förderung des Forschungsbaus „Photonic Quantum Systems Laboratory“ (PhoQS Lab) wird eine geeignete Infrastruktur geschaffen, um zukunftsweisende Quanten­schaltkreise für Anwendungen in der Quantenphotonik zu erforschen. Zusammen mit der Gründung des „Instituts für photonische Quantensysteme“ (PhoQS) befindet sich damit ein einzigartiges interdisziplinäres Zentrum für Quantenphotonik im Aufbau.

In den kommenden drei bis fünf Jahren werden die Grundlagen für die Entwicklung des photonischen Quantencomputings hin zu einer praxistauglichen Hardware­plattform und zu einem wesentlichen Baustein des Hochleistungs­rechnens, des sogenannten High Performance Computings (HPC) gelegt. In den darauffolgenden fünf bis sieben Jahren wird die Skalierbarkeit der Systeme vergrößert, die Integration von Quantencomputing in klassische Rechnerplattformen und insbesondere in HPC-Systeme ausgebaut sowie die algorithmischen Techniken für das photonische Quantencomputing bedeutend erweitert. Los geht es bereits im November. Innerhalb der ersten fünf Jahre werden neue Anwendungsfelder für nicht-universelle Quantencomputer erschlossen und integriert-optische, skalierbare Quanten­schaltkreise entwickelt, die ideal auf die Herausforderungen des Quantencomputings angepasst sind. Außerdem werden die Grundlagen für die interdisziplinäre Ausbildung von Quantencomputing-Fachkräften gelegt.

U. Paderborn / DE

 

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