15.11.2017

Scharfer Blick auf Europas Wälder

Neue Methoden der Fernerkundung geben Auskunft über Pflanzenvielfalt und Zustand. 

Produk­tivität und Stabi­lität von Waldöko­systemen hängen stark von der funktionalen Vielfalt der Pflanzen­gemeinschaften ab. Forschern der Universität Zürich gelang es nun, die Pflanzen­vielfalt von Wäldern durch Ferner­kundung mit Flugzeugen in verschiedenen Maßstäben zu messen und zu kartieren – von einzelnen Bäumen bis hin zu ganzen Arten­gemein­schaften. Die neue Methode ebnet den Weg, um zukünftig die globale Pflanzen­diversität aus der Luft und aus dem All zu über­wachen.

Abb.: Fernerkundung offenbart eine Detailanalyse der Diversität der physiologischen Merkmale eines Waldes. (Bild: UZH)

Ökolo­gische Studien zeigen, dass die Pflanzen­vielfalt zentral ist für das Funk­tionieren von Öko­systemen. Wälder mit einer höheren funk­tionalen Vielfalt sind in der Regel über lange Zeiträume ertrag­reicher und stabiler als weniger arten­reiche Wälder. Zudem nutzen viel­fältige Pflanzen­gemeinschaften die Ressourcen stärker und effizienter. Solche Ökosysteme sind auch weniger anfällig gegenüber Krank­heiten, Insekten­befall, Feuer und Stürmen. Die funktionale Vielfalt von Pflanzen lässt sich direkt messen, indem ausgewählte morpho­logische und physio­logische Merkmale eines Waldes aus der Luft bestimmt werden.

Früher waren dazu sehr arbeits­intensive Feld­arbeiten am Boden erforderlich. Diese beschränkten sich daher auf wenige messbare Merkmale größerer Parzellen oder auf viele Merkmale von sehr kleinen Parzellen oder einzelnen Bäumen. Mit der neuen Methode kann nun die Vielfalt von Wäldern mittels Ferner­kundung von kleinen bis zu großen Maßstäben abgebildet werden. Das Verfahren funk­tioniert unabhängig von zuvor ermit­telten Vegetations­einheiten oder Arten­informationen, und ohne die Messwerte mit jenen am Boden abgleichen zu müssen. Getestet wurde das Verfahren auf dem Gebiet der Lägern, ein gemäßig­tes Mischwald-Ökosystem in der Nähe von Zürich. „Mit Ferner­kundung haben wir die einzig­artige Möglichkeit ganze Waldöko­systeme zu untersuchen. Indem wir von oben auf die Blätter der Baum­kronen blicken, können wir ihre funktionalen Merkmale konti­nuierlich über sehr große Flächen kartieren“, sagt Michael Schaepman vom Geogra­fischen Institut.

Mit Hilfe eines Lasers tasteten die Wissen­schaftler aus der Luft morpho­logische Merkmale des Waldes wie die Höhe der Baumkronen, die Laub- und Astdichte ab. Diese Messungen zeigen, wie das Sonnenlicht von der Archi­tektur der Baum­kronen aufge­nommen werden kann, um Kohlen­dioxid aus der Luft in orga­nischen Kohlenstoff umzuwandeln und für das Wachstum zu nutzen. Ist die Struktur eines Baumkronen­dachs vielfältiger, verteilt sich das Licht besser zwischen den vertikalen Schichten und den einzelnen Baumkronen, was eine effi­zientere Ausnutzung des gesamten Licht­einfalls ermöglicht. Weiter analy­sierten die Wissen­schaftler mit einem Spektro­meter von einem Flugzeug aus auch bioche­mische Merkmale des Waldes. Aus der Art, wie Blätter das Licht in diversen Wellen­längen reflek­tieren, lassen sich physio­logische Eigen­schaften der Blätter wie der Gehalt an Pigmenten und an Wasser ableiten. „Diese physio­logischen Merkmale geben Aufschluss über Aktivität und Gesundheits­zustand der Bäume. Wir sehen etwa, ob ein Baum unter Wasser­stress leidet, wie dieser reagiert oder sich an die Umwelt anpasst“, sagt Schaepman.

Zur Vali­dierung ihrer Methode verglichen die Forschenden ihre Ergebnisse mit Feld­messungen an einzelnen Blättern, mit Bestands­daten sowie mit Werten aus Daten­banken, die funktionale Merkmale enthalten. Mit Hilfe von Computer­modellen konnten sie die Diversitäts­muster der morpho­logischen und physio­logischen Merkmale in diversen Maßstäben bestimmen – von der lokalen Vielfalt zwischen einzelnen Bäumen bis hin zu groß­flächigen Mustern von ganzen Pflanzen­gemeinschaften. Das Team fand eine große Über­einstimmung der gemessenen Diversitäts­muster mit Umwelt­faktoren wie Bodeneigen­schaften und Topo­grafie. So zeigte sich etwa eine geringere Diversität unter den raueren Umwelt­bedingungen entlang des Berggrats, wo sich die Bäume an die trockenen, steilen, flachen und felsigen Böden angepasst haben.

„Dank Ferner­kundung können wir nun die Vielfalt von Wäldern messen und überwachen, so dass wir Verän­derungen im großen Maßstab beobachten und räumliche Informa­tionen für Natur­schutz- und Klimaschutz­strategien bereitstellen können“, sagt Schaepman. Da die Methodik nur durch die Verfüg­barkeit fortschritt­licher Sensoren begrenzt ist, ebnet diese Arbeit den Weg für zukünftige Flug- und Satelliten­missionen zur Überwachung der globalen Pflanzen­vielfalt aus der Luft und aus dem Weltraum.

UZH / JOL

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