Scharfer Blick auf Europas Wälder
Neue Methoden der Fernerkundung geben Auskunft über Pflanzenvielfalt und Zustand.
Produktivität und Stabilität von Waldökosystemen hängen stark von der funktionalen Vielfalt der Pflanzengemeinschaften ab. Forschern der Universität Zürich gelang es nun, die Pflanzenvielfalt von Wäldern durch Fernerkundung mit Flugzeugen in verschiedenen Maßstäben zu messen und zu kartieren – von einzelnen Bäumen bis hin zu ganzen Artengemeinschaften. Die neue Methode ebnet den Weg, um zukünftig die globale Pflanzendiversität aus der Luft und aus dem All zu überwachen.
Abb.: Fernerkundung offenbart eine Detailanalyse der Diversität der physiologischen Merkmale eines Waldes. (Bild: UZH)
Ökologische Studien zeigen, dass die Pflanzenvielfalt zentral ist für das Funktionieren von Ökosystemen. Wälder mit einer höheren funktionalen Vielfalt sind in der Regel über lange Zeiträume ertragreicher und stabiler als weniger artenreiche Wälder. Zudem nutzen vielfältige Pflanzengemeinschaften die Ressourcen stärker und effizienter. Solche Ökosysteme sind auch weniger anfällig gegenüber Krankheiten, Insektenbefall, Feuer und Stürmen. Die funktionale Vielfalt von Pflanzen lässt sich direkt messen, indem ausgewählte morphologische und physiologische Merkmale eines Waldes aus der Luft bestimmt werden.
Früher waren dazu sehr arbeitsintensive Feldarbeiten am Boden erforderlich. Diese beschränkten sich daher auf wenige messbare Merkmale größerer Parzellen oder auf viele Merkmale von sehr kleinen Parzellen oder einzelnen Bäumen. Mit der neuen Methode kann nun die Vielfalt von Wäldern mittels Fernerkundung von kleinen bis zu großen Maßstäben abgebildet werden. Das Verfahren funktioniert unabhängig von zuvor ermittelten Vegetationseinheiten oder Arteninformationen, und ohne die Messwerte mit jenen am Boden abgleichen zu müssen. Getestet wurde das Verfahren auf dem Gebiet der Lägern, ein gemäßigtes Mischwald-Ökosystem in der Nähe von Zürich. „Mit Fernerkundung haben wir die einzigartige Möglichkeit ganze Waldökosysteme zu untersuchen. Indem wir von oben auf die Blätter der Baumkronen blicken, können wir ihre funktionalen Merkmale kontinuierlich über sehr große Flächen kartieren“, sagt Michael Schaepman vom Geografischen Institut.
Mit Hilfe eines Lasers tasteten die Wissenschaftler aus der Luft morphologische Merkmale des Waldes wie die Höhe der Baumkronen, die Laub- und Astdichte ab. Diese Messungen zeigen, wie das Sonnenlicht von der Architektur der Baumkronen aufgenommen werden kann, um Kohlendioxid aus der Luft in organischen Kohlenstoff umzuwandeln und für das Wachstum zu nutzen. Ist die Struktur eines Baumkronendachs vielfältiger, verteilt sich das Licht besser zwischen den vertikalen Schichten und den einzelnen Baumkronen, was eine effizientere Ausnutzung des gesamten Lichteinfalls ermöglicht. Weiter analysierten die Wissenschaftler mit einem Spektrometer von einem Flugzeug aus auch biochemische Merkmale des Waldes. Aus der Art, wie Blätter das Licht in diversen Wellenlängen reflektieren, lassen sich physiologische Eigenschaften der Blätter wie der Gehalt an Pigmenten und an Wasser ableiten. „Diese physiologischen Merkmale geben Aufschluss über Aktivität und Gesundheitszustand der Bäume. Wir sehen etwa, ob ein Baum unter Wasserstress leidet, wie dieser reagiert oder sich an die Umwelt anpasst“, sagt Schaepman.
Zur Validierung ihrer Methode verglichen die Forschenden ihre Ergebnisse mit Feldmessungen an einzelnen Blättern, mit Bestandsdaten sowie mit Werten aus Datenbanken, die funktionale Merkmale enthalten. Mit Hilfe von Computermodellen konnten sie die Diversitätsmuster der morphologischen und physiologischen Merkmale in diversen Maßstäben bestimmen – von der lokalen Vielfalt zwischen einzelnen Bäumen bis hin zu großflächigen Mustern von ganzen Pflanzengemeinschaften. Das Team fand eine große Übereinstimmung der gemessenen Diversitätsmuster mit Umweltfaktoren wie Bodeneigenschaften und Topografie. So zeigte sich etwa eine geringere Diversität unter den raueren Umweltbedingungen entlang des Berggrats, wo sich die Bäume an die trockenen, steilen, flachen und felsigen Böden angepasst haben.
„Dank Fernerkundung können wir nun die Vielfalt von Wäldern messen und überwachen, so dass wir Veränderungen im großen Maßstab beobachten und räumliche Informationen für Naturschutz- und Klimaschutzstrategien bereitstellen können“, sagt Schaepman. Da die Methodik nur durch die Verfügbarkeit fortschrittlicher Sensoren begrenzt ist, ebnet diese Arbeit den Weg für zukünftige Flug- und Satellitenmissionen zur Überwachung der globalen Pflanzenvielfalt aus der Luft und aus dem Weltraum.
UZH / JOL