Schnappschüsse aus der Quantenwelt

Neue Spektroskopie-Methode macht Auslesung optisch bislang nicht unterscheidbarer Spin-Zustände möglich.

Der Wechsel zwischen Singulett- und Triplett-Zustand von Elektronen­paaren in ladungs­getrennten Zuständen spielt in der Natur eine wichtige Rolle. Vermutlich kann auch der Kompass von Zugvögeln mit dem Einfluss des Erdmagnet­felds auf das magnetische Wechselspiel zwischen diesen beiden Spin-Zuständen erklärt werden. Dieser Quanten­prozess war bislang optisch nicht direkt verfolgbar und konnte im Endprodukt nur summarisch ausgewertet werden. Eine Forschungs­kooperation mit Ulrich Steiner von der Uni Konstanz sowie Forschern der Unis Würzburg und Novosibirsk hat jetzt mit der Pump-Push-Puls-Technik eine Methode vorgestellt, mit der es zum ersten Mal möglich ist, den zeitlichen Verlauf der Singulett/Triplett-Einstellungen optisch zu bestimmen. Das eröffnet neue Wege etwa im Bereich organischer Solarzellen, aber auch für Qubits in Quanten­computern.

Abb.: Prinzip­skizze des Experi­ments. (Bild: C. Lambert, U. Würz­burg)
Abb.: Prinzip­skizze des Experi­ments. (Bild: C. Lambert, U. Würz­burg)

Normalerweise besetzen Elektronen in einem Molekül die quanten­theoretisch möglichen Bahnen paarweise. Dabei ist die Eigenschaft des Eigen­dreh­impulses der Elektronen von entscheidender Bedeutung. Nach dem Pauli-Prinzip der Quantentheorie können zwei Elektronen nur dann auf der gleichen Bahn laufen, wenn ihr Spin anti­parallel ist. Dreht sich das eine Elektron rechtsherum, muss sich das andere linksherum drehen. Im molekularen Grundzustand sind in der Regel alle Elektronenspins gepaart. Durch Lichtanregung wird ein einzelnes Elektron aus der Paar­konstel­lation gelöst und auf ein energetisch höheres Niveau gehoben, wo es allein eine freie Bahn besetzt.

Von hier kann es dann weiter auf eine freie Bahn in einem geeigneten Nachbar­molekül über­springen. Das Ergebnis stellt eine photo­induzierte Elektron­über­tragung dar. Die beiden vereinzelten Elektronen können nun durch magnetische Wechsel­wirkung mit ihrer Umgebung ihre Spin-Einstellung unabhängig vonein­ander verändern, da sie nicht mehr durch das Pauli-Prinzip einge­schränkt sind.

Eine solche Ladungs­trennung durch photo­induzierte Elektronen­über­tragung findet beispiels­weise auch bei der Photo­synthese statt. Die Energie des über­tragenen Elektrons nimmt bei diesem Schritt nur wenig ab, sodass der größte Teil der anfänglich durch die Licht­anregung aufge­nommenen elektro­nischen Energie noch erhalten ist. Diese ursprüngliche Anregungs­energie ist somit in chemischer Form gespeichert.

Sind die Spins der beiden vereinzelten Elektronen parallel ausgerichtet, spricht man von einem Triplett-Zustand, sind sie antiparallel ausgerichtet, von einem Singulett-Zustand des Radikal­paares. Durch die freie indivi­duelle Entwicklung der beiden Spins wechselt der Spin-Zustand des Radikal­paars zwischen Singulett- und Triplett-Zustand hin und her. Da energetisch zwischen diesen Spin-Ausrichtungen kein großer Unterschied besteht, waren sie bislang optisch nicht direkt unter­scheidbar.

Eine Energiestabilisierung des Radikal­paars kann erfolgen, indem das Radikal­elektron vom Akzeptor-Molekül wieder zurückspringt zum Donor-Molekül und sich so unter Wärme­frei­setzung der ursprüngliche Singulett-Zustand wieder zurückbildet. Damit es sich jedoch wieder mit dem ursprünglichen Partner­elektron paaren kann, muss sein Spin zu diesem entgegen­gesetzt geblieben sein, was durch eine zwischen­zeitlich mögliche Spin-Umorientierung nicht unbedingt der Fall ist. Hat es aktuell eine andere Einstellung, kann es zwar nicht auf seine ursprüngliche Bahn zurück, aber durch Übergang in eine andere, noch freie tiefere Bahn ebenfalls Energie abgeben. Es bildet sich so ein Triplett-Produkt, das von dem Singulett-Produkt optisch unter­schieden werden kann.

Die Phase, in der die Radikal­paare zwischen den Singulett- und dem Triplett-Zustand hin- und herpendeln, ist in vielerlei Hinsicht von besonderem Interesse. Da es sich um eine quanten­mechanisch gesteuerte kohärente Bewegung handelt, ist sie grund­sätzlich, etwa durch ein äußeres Magnetfeld, kontrol­lierbar. Mit solchen Bewegungen werden beispiels­weise in der Physik Quanten­rechner realisiert. „Unser Radikal­paar kann als Modell für Qubits dienen, wie sie in Quanten­rechnern als Elemente vorhanden sind, oder für das Verständnis der Funktion von Radikal­paaren in dem eingangs erwähnten biologischen Kompass­modell von Zugvögeln. Aus solchen Gründen ist es von Interesse zu wissen, wie der Spin in diesem Prozess gerade steht“, sagt Steiner.

Die Forschungs­kooperation hat mit der „Pump-Push-Puls“-Technik ein Verfahren entwickelt, mit dem es zum ersten Mal möglich ist, die Singulett/Triplett-Einstellungen zu bestimmten Zeitpunkten auszulesen. Zunächst wird mit einem Pump-Laser-Puls der Elektronen­transfer vom Donor- zum Akzeptor-Molekül initiiert. Dabei entsteht der ladungs­getrennte Zustand mit Singulett-Spin. Die ungepaarten Elektronen-Spins können sich nun entwickeln. Nach einer gewissen Zeit wird ein zweiter Laser-Puls hinterher­geschickt.

„Durch diesen Push-Laser-Puls wird wieder ein Elektron vom Akzeptor zum Donor zurück­über­tragen, wobei der zweite Laserpuls das System zwingt, sofort die Entscheidung zwischen Triplet- oder Singulett-Produkt­bildung zu treffen, wofür sich das Radikal­paar normaler­weise mehrere Spin-Oszillations­perioden Zeit lassen würde“, sagt Steiner. Auf diese Weise lassen sich Schnapp­schüsse des Spin-Zustandes des Radikal­paares zu verschiedenen Zeit­punkten aufnehmen.

U. Konstanz / RK

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