26.06.2018

Spürnase für Supernovae

Neues Konzept für Gamma- und Röntgen-Satelliten setzt auf Synergien mit anderen Teleskopen.

Astrophysiker der Universität Tübingen sind an einem neuen Projekt der europäischen Raumfahrt­agentur ESA beteiligt: Als eines von drei Konzepten wurde die Mission „Theseus“, bei der das Institut für Astronomie und Astro­physik (IAAT) eine wichtige Rolle spielt, in das Wissenschafts­programm aufgenommen. Der Satellit könnte 2032 starten und soll das frühe Universum erkunden, insbesondere die ersten 1,5 Milliarden Jahre nach dem Urknall.

Abb.: Künstlerische Darstellung eines Gammastrahlenausbruchs: Theseus wird das Universum nach lichtstarken Ereignissen wie diesem durchscannen. (Bild: ESA / ECF)

Insgesamt hatten sich 25 Forschungsgruppen aus ganz Europa mit Satelliten­projekten beworben. Im Mai gab die ESA nun die Auswahl von drei Missions­konzepten bekannt, die in den kommenden drei Jahren parallel weiter­entwickelt werden und um den Start­termin im Jahr 2032 konkurrieren. Die Entwicklung des Satelliten Theseus (Transient High-Energy Sky and Early Universe Surveyor) wurde bereits in den letzten Jahren von einem breiten Konsortium aus 60 Wissenschaftlern weltweit voran­getrieben.

Theseus trägt ein 70-Zentimeter-Infrarot-Teleskop (IRT), vier „Lobster-Eye” Weit­winkel­kameras für Röntgen­strahlung (SXI) sowie vier Gamma-Spektro­meter basierend auf Szintillator-Kristallen (XGIS). Mit diesen Instrumenten hat er einen großen Teil des Himmels auf einmal unter Beobachtung und soll sofort auf kurz­zeitige Helligkeits­veränderungen reagieren können, die von auf­flackernden hoch­energetischen Quellen wie Gamma­strahlen­ausbrüchen aus­gehen.

Solche Gammastrahlenausbrüche können durch die Verschmelzung zweier Neutronen­sterne ausgelöst werden oder auch von einer Kern­kollaps-Supernova, dem kurz­zeitigen Auf­leuchten eines sterbenden sehr masse­reichen Sterns. Sie gehören zu den leucht­stärksten Ereignissen am Himmel überhaupt und sind auf sehr weite Distanz sichtbar. Weil dies in der Astronomie auch immer einem Blick zurück in die Zeit entspricht, geben Sie Auf­schluss über Ereignisse aus dem frühen Universum. Entdeckt Theseus ein solches Ereignis, kann er rasch dessen Koordinaten bestimmen und richtet sich selbst automatisch für eine Nach­beobachtung aus. Zusätzlich gibt er die Koordinaten innerhalb weniger Sekunden an eine Boden­station weiter, so dass andere Teleskope eigene Beobachtungen der Region durch­führen können.

Die Universität Tübingen ist durch Andrea Santangelo, Leiter der Hoch­energie­astro­physik-Arbeits­gruppe am IAAT, direkt beteiligt, sowohl an der wissen­schaftlichen Planung der Mission im „Science Study Team“ als auch durch Hardware-Beiträge zur Echt­zeit-Daten­verarbeitung an Bord des Satelliten für alle drei Instrumente. „Theseus wird es uns erlauben, Gamma-Ray Bursts genauer zu untersuchen und ihr Potenzial für Forschung der Kosmologie voll auszunutzen, vor allem im frühen Universum“, sagt Chris Tenzer, Mit­arbeiter am IAAT und einer der fünf Antrag­steller der Mission. „Zusätzlich wird Theseus eine Vielzahl weiterer variabler Objekte im Hoch­energie­bereich beobachten und so fundamentale Beiträge zur Astro­physik leisten, auch in Bezug auf die Quellen von Gravitations­wellen und Neutrinos.”

„Vor allem die Synergieeffekte mit anderen Observatorien, die in den nächsten Jahrzehnten aktiv sein werden wie LSST, ELT, SKA, CTA, ATHENA, LIGO, VIRGO und KM3Net erweitern den wissenschaftlichen Nutzen von Theseus über die Kosmologie hinaus auf weitere Felder der Astro- und Grundlagen­physik“, sagt Andrea Santangelo. „Theseus wird zudem als sehr flexibles Infrarot- und Röntgen­observatorium arbeiten und so einem Groß­teil der astronomischen Gemeinschaft von Nutzen sein.” Die Entscheidung, welche der drei ausgewählten Missionen schließlich von der ESA realisiert wird, steht im Jahr 2021 an.

U. Tübingen / DE

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