04.10.2016

Starke Küsten, schwache Städte

UFZ-Forscher erstellen detaillierte Energiewende-Landkarte von Deutschland.

Die Energie­wende in Deutschland schreitet voran. Wasser­kraft, Wind, Sonne und Biomasse lieferten 2015 etwa 35 Prozent des Stroms. Der ambitionierte Wandel zur klimafreundlichen Versorgung mit Energie vollzieht sich in allen Bundes­ländern. Doch regional klaffen große Unterschiede. Diese identi­fizierten nun Wissen­schaftler am Helmholtz Zentrum für Umwelt­forschung UFZ. In ihrer ersten Detail­studie zur räumlichen Struktur der deutschen Strom­versorgung entstand eine detail­lierte Energie­wende-Landkarte. Sie stellt Vorreiter und Nachzügler unter allen 12.066 deutschen Gemeinden klar heraus und weist den Weg, wie Deutschland auch in Zukunft seiner globalen Vorbild­rolle gerecht werden kann.

Abb.: Der ambitionierte Wandel zur klimafreundlichen Versorgung mit Energie vollzieht sich in allen Bundesländern. Doch regional klaffen große Unterschiede. (Bild: UFZ / A. Künzelmann)

„Die dezen­trale Energie­wende ist Realität und findet flächen­deckend über das gesamte Land statt“, sagt Daniela Thrän, die am UFZ das Department Bioenergie leitet und gleichzeitig am Deutschen Biomasse­forschungs­zentrum (DBFZ) forscht. Weit vorne rangieren Gemeinden an der Westküste Schleswig-Holsteins mit zahlreichen Windparks und Biogas­anlagen. Stark bei der regenerativen Strom­erzeugung aus Wind, Sonne und Biomasse sind auch weite Gebiete in Branden­burg und Sachsen-Anhalt. Nachhol­bedarf haben dagegen Großstädte wie Berlin oder indus­trielle Ballungs­zentren in Hessen und Baden-Württemberg.

Das Team um Daniela Thrän untersuchte, wie weit der Wandel zur CO2-neutralen Stromerzeugung in allen 12.066 Gemeinden Deutsch­lands bereits voran­geschritten ist. Dafür ana­lysierten die Forscher alle bis Mitte 2015 verfügbaren Daten zur Strom­erzeugung und zum Strom­verbrauch. Ergebnis ist eine Landkarte der deutschen Energie­wende, auf der jede Bürgerin und jeder Bürger den Fortschritt seiner Heimat­gemeinde erkennen kann. „Deutlich sticht eine räumliche Dissonanz zwischen Verbrauch und Erzeugung heraus“, sagt Daniela Thrän. Ländliche Regionen mit viel Platz für Wind- und Solarparks bei zugleich dünner Besiedelung erreichen so leichter eine gute Position. Verdichtungs­räume mit hohem Industrie­anteil haben dagegen noch größere Aufgaben zu bewältigen, ergänzt Sebastian Rauner.

In Deutschland steht die geballte Strom­erzeugung der 770 konven­tionellen Kohle-, Gas- und Kern­kraftwerke den jeweils geringeren Strom­mengen der mehr als 1,5 Millionen im ganzen Land verstreuten Solar-, Biogas- und Wind­anlagen gegenüber. Diese Zahlen setzten die Forscher in Bezug zum regionalen Strom­verbrauch. Durch­schnittlich betrug dieser im Jahr 1,32 Kilowatt­stunden pro Quadratmeter. Dicht besiedelte Städte und Industrie­regionen kamen daher zwangsläufig auf höhere Werte als Flächen­gemeinden auf dem Land. „Aber ein Land­bewohner ist daher nicht automatisch ein besserer Klima­schützer als ein Städter“, betont Daniela Thrän.

Für die Bewertung der einzelnen Gemeinden war den UFZ-Forschern das Zusammen­spiel der regene­rativen Strom­erzeuger besonders wichtig. Wind- und Solarparks mit einer wetter­abhängig schwankenden Strom­erzeugung sollten im Idealfall mit flexiblen Kraftwerken, die etwa Biomasse oder Wasser­kraft nutzen, kombiniert werden. Denn erst im Verbund ergibt sich eine hohe Versorgungs­sicherheit rund um die Uhr und über das gesamte Jahr. Auf der Grundlage dieser relevanten Aspekte entwickelten die Forscher einen Energie­wende-Indikator (Smart Renewable Power Provision Indicator, SREPP), der nicht nur die schiere Strommenge, sondern auch die Flexi­bilität eines dezentralen Kraftwerk­ensembles berück­sichtigt.

Abb.: Die Energiewende-Landkarte stellt Vorreiter und Nachzügler unter allen den deutschen Gemeinden klar heraus. Als Basis dafür berechneten die Forscher einen Indikator, der nicht nur die schiere Strommenge berücksichtigt, sondern auch die Flexibilität eines dezentralen Kraftwerk-Ensembles. (Bild: Applied Energy / Elsevier )

„Von Flensburg bis Konstanz, von Aachen bis Görlitz ist die deutsche Energie­wende bisher auf einem guten Weg“, sagt Daniela Thrän. Doch in der nun ein­setzenden Phase müssten die räumlichen Unter­schiede verringert werden. „Anreiz­prämien für bisher wenig entwickelte Gebiete halte ich für einen wichtigen Aspekt im Hinblick auf kommende Reformen des Erneuer­baren Energien Gesetzes (EEG)“, so die Umwelt­ingenieurin. Mit einer stärkeren räumlichen Planung seien auch die ehrgeizigen Klima­ziele Deutsch­lands, gekoppelt mit effektiver Ab­sicherung gegen Blackouts und begrenztem Ausbau der Stromnetze, weiterhin erreichbar.

Daniela Thrän und ihre Kollegen werden auch in Zukunft den grundlegenden Wandel der deutschen Strom­versorgung im Blick halten. Für 2017 planen sie die nächste Energie­wende-Landkarte. Dann werden auch Daten zu Strom­verbrauch und Strom­erzeugung über das Jahr 2014 hinaus einfließen - wie etwa die Ausbeute der ersten Offshore-Windkraft­werke in Nord- und Ostsee. Auch die Akzeptanz der Bürger wollen die Wissen­schaftler dann genauer ins Auge fassen, denn die ist für die Energie­wende ein weiterer wichtiger, aber schwer zu messender Aspekt.

UFZ / JOL

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