Stippvisite im Kuipergürtel
Raumsonde New Horizons ist an Zwergplanet Ultima Thule vorbeigeflogen.
Pünktlich zum Beginn des neuen Jahres hat im Kuipergürtel, sechseinhalb Milliarden Kilometer von der Erde entfernt, eine ganz besondere Begegnung stattgefunden: Die NASA-Raumsonde New Horizons besuchte das Objekt 2014 MU69, genannt Ultima Thule. Um 6:33 Uhr mitteleuropäischer Zeit ist New Horizons an Ultima Thule vorbeigeflogen und hat das Objekt aus nur 3500 Kilometern Entfernung mit ihren Messinstrumenten untersucht. Vor etwa dreizehn Jahren ist New Horizons gestartet, um den Zwergplaneten Pluto zu untersuchen. Es ist das erste Mal, dass ein Körper jenseits von Pluto Besuch bekommt und aus der Nähe erforscht wird – auch wenn sich die Datenübertragung aufgrund der großen Entfernung sich noch etwas hinziehen wird.
Während der relativ kurzen Vorbeiflugphase an Ultima Thule, mit einer Geschwindigkeit von 14 Kilometern pro Sekunde, zeichneten sieben wissenschaftliche Experimente Fotos, Spektren und physikalische Messwerte auf. Neben drei optischen Geräten, dem UV-Spektrometer Alice sowie den hochauflösenden Kamerasystemen Lorri und Ralph, befinden sich auch zwei Teilchen- und Plasma-Messinstrumente (Peppsi und Swap), ein Staubdetektor (SDC) und das Radioexperiment (Rex) an Bord von New Horizons. Das Raumfahrtmanagement des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) fördert die Beteiligung von Martin Pätzold an Rex mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie.
Rex soll anhand von Radiowellen die Wärmestrahlung und die Masse von Ultima Thule bestimmen. Es ist das einzige Instrument auf New Horizons, an dem deutsche Planetenforscher beteiligt sind. Während des Vorbeiflugs führten Pätzold, stellvertretender Vorsitzender des Rheinischen Instituts für Umweltforschung an der Universität zu Köln, zusammen mit Michael Bird als Co-Investigatoren zwei Messverfahren durch. Dabei bestimmte REX die Oberflächentemperatur sowie Masse und Dichte von Ultima Thule. Diese Werte geben Hinweise darauf, wie der Körper im Innern aufgebaut ist und wie er vor gut viereinhalb Milliarden Jahren am Rande des solaren Urnebels entstanden ist.
Bereits im Vorfeld des anstehenden Rendezvous gelang den Planetenforschern ein Blick auf Ultima Thule. Mitte August 2018 machte Lorri (Long Range Reconnaissance Imager) den relativ kleinen Körper aus einer Entfernung von 172 Millionen Kilometern als winzigen Lichtpunkt inmitten zahlreicher Hintergrundsterne aus. Auch wenn aus dieser Distanz noch keine Oberflächenstrukturen zu erkennen waren, bestätigte die gefundene Position, dass sich New Horizons auf dem richtigem Kurs befand, um am Morgen des 1. Januars, wie vorausberechnet, Ultima Thule zu passieren – eine Premiere für alle Sonnensystemforscher.
Entdeckt wurde Ultima Thule am 26. Juni 2014 während der Suche des Hubble-Weltraumteleskops nach möglichen Objekten im Kuipergürtel, die als potentielle Ziele für die NASA-Raumsonde New Horizons für die Zeit nach dem Vorbeiflug am Pluto-Zwergplaneten und seinem Mond Charon geeignet erschienen. Ultima Thule umkreist die Sonne in Entfernungen zwischen 6,4 und knapp 7,0 Milliarden Kilometern. Anfangs erhielt das neue Objekt die Kennzeichnung 1110113Y und – nachdem seine Bahn hinreichend genau bestimmt worden war – im Mai 2015 die offizielle Bezeichnung 2014 MU69. Im März 2018 wählte das New-Horizons-Team aus eingereichten Namensvorschlägen den Spitznamen Ultima Thule aus. Dieser steht sinnbildlich für einen fiktiven, weit abgelegenen Ort im hohen Norden, jenseits der mythischen Insel Thule am Ende der Welt, von der die keltisch-germanischen Sagen erzählen – ein symbolischer Name für die Exploration ins Unbekannte schlechthin. Seinen endgültigen Namen wird Ultima Thule erst erhalten, wenn feststeht, wie das Objekt tatsächlich aussieht.
In den Jahren 2017 und 2018 ergaben sich anhand der Beobachtung von Sternbedeckungen durch Ultima Thule Anhaltspunkte, dass das Objekt möglicherweise aus zwei Körpern besteht, die sich umkreisen. An diesen Beobachtungen war auch das fliegende Observatorium SOFIA des DLR und der NASA entscheidend beteiligt.
DLR / DE