21.09.2005

Studentisches Gesellenstück fliegt ins All

Am 27. September 2005 schießt eine russische Rakete einen Satelliten der studentischen Weltrauminitiative SSETI ins All.


Am 27. September 2005 schießt eine russische Rakete einen Satelliten der studentischen Weltrauminitiative SSETI ins All.

Noordwijk (dpa) - Respektvoll weist Marie de Cock auf den riesigen Weltraumsimulator der Europäischen Raumfahrtorganisation ESA in Noordwijk (Niederlande). «Das hier wäre zu groß und zu teuer für uns gewesen, aber auf allen anderen Testanlagen hat er sich bewährt.» Er - das ist der erste von quer durch Europa verteilten Studenten erdachte, entwickelte, gebaute und programmierte Satellit. Am 27. September schießt eine russische Rakete ihn von Plesetsk aus in seine Umlaufbahn 686 Kilometer über dem blauen Planeten.

Marie de Cock koordiniert das SSETI-Programm bei der ESA. SSETI ist die englische Abkürzung für die studentische Weltrauminitiative (Student Space Exploration and Technology Initiative). Der Satellit heißt «SSETI-Express» und macht seinem Namen alle Ehre: Von der ersten Idee im Januar 2004 bis zur Fertigstellung dauerte es nur 18 Monate. Im Mai dieses Jahres wurde der 60 Kilogramm schwere Hightech- Kasten nach Rütteltests und Beschallung mit höllischem Lärm unter Startbedingungen von der ESA für weltraumtauglich befunden.

«Das hat uns viel Freizeit und viel Schlaf gekostet», berichtet De Cock. «Aber alle haben ihr Bestes gegeben.» Dutzende Studenten an weit auseinander liegenden Universitäten in vielen Ländern mussten kooperieren. Sie verständigten sich vor allem über das Internet, es gab aber auch gemeinsame Treffen in Noordwijk. Die Französin De Cock: «Da prallten Kulturen aufeinander. Deutsche und Italiener haben sich anfangs gegenseitig fast verrückt gemacht.» Aber das gemeinsame Ziel verloren sie nicht aus den Augen.

«Als die ESA mit der Idee für eine Studenteninitiative kam, wollten alle gleich zum Mond», erinnert sich De Cock. Doch schnell wurde klar, dass das für einen schnellen Erfolg zu aufwendig würde - ganz nebenbei mussten alle ja auch ihr Studium fortsetzen. Also wurde der «Express» erdacht. Aber die weiter reichenden Pläne wurden nicht zur Seite gelegt. Die Studenten von SSETI arbeiten derzeit an einem größeren Erdsatelliten «ESEO» (geplanter Start: 2008) und tatsächlich auch an einem Mondbegleiter «ESMO» (2012).

«SSETI Express» ist damit auch ein Einstieg in ein größeres Programm. Er nimmt drei «Gäste» mit ins All - Minisatelliten für wissenschaftliche Zwecke, unter anderem von der Universität Würzburg. In Stuttgart entwickelten Studenten ein Antriebssystem für den größeren «ESEO»-Satelliten, das im «Express» getestet wird. Der kleine Vorläufer selbst richtet sich passiv am Magnetfeld der Erde aus. Er wird von einer Bodenstation in Aalborg (Dänemark) beobachtet, die von Polen aus ferngesteuert wird. Auf der Erde hat das funktioniert.

Die überwiegend aus technischen Fächern kommenden Studenten merkten schnell, dass ihre speziellen Fähigkeiten alleine nicht ausreichen, um einen Satelliten ins All zu schicken. Ein Start muss gebucht werden, Funkfrequenzen sind zu beantragen, der Transport will organisiert sein, Zollfragen sind zu klären, eigene Erfindungen brauchen einen Urheberrechtsschutz. «Wir hatten nicht erwartet, dass diese Dinge so umfangreich sein würden», sagt De Cock.

Eigentlich sollte «SSETI-Express» schon seit Ende August um die Erde kreisen. Aus Gründen, auf die die Studenten keinen Einfluss hatten, wurde der Start aber auf den 27. September verlegt. Auch das gehört zum Alltag des Satellitengeschäfts. Aber keiner der Studenten zweifelt daran, dass ihr Gesellenstück schließlich den Abschuss übersteht und im All funktioniert. «Der Start ist noch das Tüpfelchen auf dem i», meint De Cock. «Der Erfolg ist aber schon jetzt hundertprozentig, weil wir so viele Erfahrungen gesammelt haben.»

Thomas P. Spieker, dpa

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