23.04.2015

Südpol jetzt Teil des „Event Horizon Telescope“

Koordinierte Beobachtungen sollen Ereignishorizont des supermassereiches schwarzes Lochs der Milchstraße abbilden.

Um ein virtuelles Teleskop von fast Erdgröße zu schaffen, mit dem es gelingen soll, den Ereignishorizont des schwarzen Lochs im Zentrum unserer Milchstraße abzubilden, haben Astronomen erstmals den südlichsten Punkt der Erde in ihre Messungen einbeziehen können. Im vergangenen Dezember reiste dazu ein internationales Team von Astronomen auf die Südhalbkugel der Erde. Deutsche, chilenische und koreanische Wissenschaftler unter der Leitung von Alan Roy vom MPI für Radioastronomie gingen dabei nach Chile, die amerikanischen Wissenschaftler unter der Leitung von Dan Marrone von der Universität Arizona direkt zum Südpol, um ihre Teleskope im Rahmen des „Event Horizon“-Teleskopnetzwerks (EHT) als ein virtuelles Riesenteleskop zu betreiben. Durch die Zusammenschaltung von über die ganze Erde verteilten Teleskopen soll das EHT die ersten detaillierten Bilder von Schwarzen Löchern aufnehmen.

Abb.: Mit dem Südpol-Teleskop(SPT) und dem Atacama-Pfadfinder-Experiment (APEX) haben Astronomen im Januar 2015 erstmals eine gemeinsame Beobachtung im Rahmen eines VLBI-Experiments durchgeführt – als virtuelles Teleskop von über 7000 Kilometern Durchmesser (gelbe Linie). Das „Event Horizon“-Teleskopnetzwerk schließt auch Instrumente in Mexiko, Arizona und auf Hawaii ein. (Bild: D. Marrone, U. Arizona)

„Ziel des EHT wird es sein, die Allgemeine Relativitätstheorie Einsteins zu testen, den Fütterungsprozess von Schwarzen Löchern zu verstehen sowie deren Erzeugung von relativistischen Ausströmungen, und die Existenz des Ereignishorizonts, des ‚Rands‘ eines Schwarzen Lochs, erstmals experimentell zu bestätigen“, sagt Dan Marrone. Am 13. Januar 2015 erfolgte erstmals eine erfolgreiche interferometrische Verbindung zwischen APEX und dem Atacama Large Millimetre Array ALMA zu einem virtuellen Teleskop von 2,08 km Durchmesser.

Die Verbindung von APEX mit dem SPT bedeutet eine Erweiterung auf einen virtuellen Durchmesser von mehr als 7000 km. Das ist die neueste Ergänzung zu einem über den ganzen Erdball verteilten Netzwerk von Radioteleskopen, die über die Technik der Very Long Baseline Interferometry oder VLBI zu einem virtuellen Riesenteleskop verbunden werden. Je größer das Teleskop, desto schärfer und detailreicher wird das Bild, und mit der VLBI-Beobachtungstechnik arbeiten die miteinander verbundenen Teleskope wie ein Einzelteleskop mit dem Durchmesser der „Basislinien“ zwischen den einzelnen Teleskopen. Die schärfsten Bilder erreicht man somit über die Verbindung von Einzelteleskopen in möglichst großer Entfernung voneinander.

„Um das System zum Laufen zu bringen, mussten wir Spitzentechnologie zu einigen der abgelegendsten Plätze auf dieser Erde bringen“, sagt Alan Roy. „Es ist eine logistische Herausforderung, eine immer größere Zahl von Teleskopen zu integrieren, von Hawaii bis nach Europa, von Nordamerika bis nach Chile und zum Südpol, um damit eine zunehmend bessere Bildqualität und Bildschärfe zu erzielen.“

Abb.: Das Atacama Pathfinder Experiment APEX ist ein 12-m-Submillimeterteleskop in über 5100 m Höhe in der Chajnantorebene in den chilenischen Anden. Links vom Teleskop ist die Zentralregion der Milchstraße in Richtung des Sternbilds Schütze zu sehen, in der sich das supermassereiche schwarze Loch Sagittarius A* befindet. (Bild: ESO / B. Tafreshi, twanight.org)

Das schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße Sagittarius A* ist zwar gut vier Millionen mal massereicher als die Sonne, aber es ist immer noch winzig in der Sicht von manchem Astronomen. Es liegt in einer Entfernung von rund 26.000 Lichtjahren und dabei ist der Ereignishorizont kleiner als die Bahn des Planeten Merkur um die Sonne. Zum Vergleich: das ist ungefähr so, als wollte man von New York aus die Jahreszahl auf einer Ein-Cent-Münze in Deutschland lesen.

Mit bisher unerreichter räumlicher Auflösung, mehr als tausendfach höher als die des Hubble-Teleskops, wird das EHT wirbelnde Gasströme abbilden, unmittelbar bevor sie jenseits des Ereignishorizonts verschwinden und jeden Kontakt mit dem Rest des Universums verlieren. Der Allgemeinen Relativitätstheorie zufolge bleibt das Schwarze Loch selbst unsichtbar, da nicht einmal Licht die gewaltige Schwerkraft überwinden kann. Jedoch könnte es sich als dunkle Silhouette gegen den Hintergrund abheben.

Für die ersten Beobachtungen wurden die beiden miteinander verbundenen Teleskope auf zwei bekannte schwarze Löcher ausgerichtet, und zwar Sagittarius A*, die Zentralquelle in unserer Milchstraße sowie die Galaxie Centaurus A in etwa zehn Millionen Lichtjahren Entfernung. In diesem Experiment haben das APEX-Teleskop in Chile und das Südpol-Teleskop in der Antarktis eine gemeinsame Beobachtung über einen Abstand von gut 7000 km durchgeführt. Die erhaltenen Daten stellen die bestaufgelösten Beobachtungen von diesen beiden Objekten am Südhimmel dar, sie übertreffen sogar den bisherigen Rekord bei einer aktiven Galaxie um einen Faktor zehn! Der Nachweis einer kompakten Struktur in Centaurus A bei einer Auflösung von nur fünfzig Mikrobogensekunden entspricht dem 150fachen des Ereignishorizonts der Zentralquelle, unter der Annahme von siebzig Millionen Sonnenmassen für das schwarze Loch im Zentrum von Centaurus A.

Abb.: Das 10-m-Südpol-Teleskop SPT steht in der Amundsen-Scott-Forschungsstation direkt am Südpol. Es hat im Januar 2015 erstmals an Messungen im Rahmen des globalen “Event Horizon”-Radioteleskopnetzwerks teilgenommen. (Bild: D. Marrone, U. Arizona)

„Centaurus A ist von Mitteleuropa aus nie über dem Horizont sichtbar, stand aber schon immer auf unserem Wunschzettel”, sagt Alan Roy, der diese Galaxie von seiner australischen Heimat her sehr gut kennt. „Es ist auch sehr eindrucksvoll, die Zentralquelle unserer Milchstraße, Sagittarius A*, in so hoher Auflösung zu sehen.“

Die Hinzufügung des SPT verbessert die jährlichen Experimente im Rahmen des EHT-Netzwerks, in denen Radioteleskope auf der ganzen Welt miteinander verknüpft werden. Eine Reihe von weiteren Teleskopen wurden inzwischen so ausgestattet, dass sie im kommenden Jahr ebenfalls an dem Experiment teilnehmen können, das damit sowohl geographisch als auch von der Anzahl der beteiligten Teleskope eine neue Bestmarke setzen wird. Die Beteiligung des MPIfR an dem Experiment erfolgt über APEX sowie über die IRAM-Teleskope auf dem spanischen Pico Veleta und auf dem französischen Plateau de Bure, die alle bei einer kurzen Wellenlänge von 1,3 mm arbeiten können.

MPIfR / OD

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