02.03.2020

Tausendsassa und Freidenker

Zum Tode von Freeman Dyson, des vielseitigen Mathematikers und theoretischen Physikers, der die Entwicklung der Quantenelektrodynamik entscheidend mitprägte.

„Planck war ein tiefer Denker, ein Schöpfer neuer Begriffe; ich löse Probleme und erfinde mathematische Tricks“, sagte Freeman Dyson im September 1969 bei seinem Vortrag bei der Physikertagung in Salzburg. Anlass war die Verleihung der Max-Planck-Medaille an Dyson, der seinem Preisträgervortrag auch ein ungewöhnliches Thema gab: „Mensch und Weltall“. Statt über seine Arbeiten zur Quantenelektrodynamik, insbesondere zum Problem der Renormierung zu sprechen, plauderte Dyson über seinen Traum von der Raumfahrt.

Am 28. Februar ist der aus England stammende Mathematiker und theoretische Physiker im Alter von 96 Jahren gestorben. Dyson, der auch ohne Promotion eine glänzende Forscherkarriere gemacht hat, hinterlässt ein extrem weitgefächertes wissenschaftliches Werk, das unter anderem Arbeiten zur Teilchenphysik, Quantenelektrodynamik, Quantenstatistik und Theorie der Zufallsmatrizen, aber auch zur Zahlentheorie, Analysis und algebraischen Topologie umfasst.

Freeman Dyson (1923–2020) wurde 1953 Professor am Institute for Advanced...
Freeman Dyson (1923–2020) wurde 1953 Professor am Institute for Advanced Study in Princeton. (Foto: Monroem, WikimediaCommons CC BY-SA 3.0 / Bearbeitung: A. Pawlak)

Freeman Dyson wurde am 15. Dezember 1923 in Crowthorne, Berkshire als Sohn eines Musikwissenschaftlers und einer Juristin geboren. Von 1941 bis 1943 studierte er Mathematik und Physik in Cambridge. Zu seinen Lehrern gehörten die Physiker Paul Dirac und Arthur Eddington und der Mathematiker Godfrey Hardy.

Von 1943 bis 1945 arbeitete er für das Bomberkomando der britischen Luftwaffe. Danach schrieb er sich wieder an der Universität Cambridge ein und schloss 1945 mit einem B.A. in Mathematik ab. Ein Stipendium brachte ihn an die Cornell University, wo er seine mathematische Begabung weiterhin auf die theoretische Physik konzentrierte und mit Hans Bethe und Richard Feynman arbeitete.

Dysons großes Verdienst war es, dass er 1948 die Äquivalenz der beiden verschiedenen Ansätze von Richard Feynman und Julian Schwinger für die Quantenelektrodynamik (QED) zeigen konnte. Diese bahnbrechende Arbeit erschien im Februar 1949 in „Physical Review“ unter dem Titel „The Radiation Theories of Tomonaga, Schwinger, and Feynman“. Dysons mathematische Herangehensweise ermöglichte unter anderem die erste Verwendung von Feynman-Diagrammen bei der Berechnung von Streuamplituden.

Auf Einladung von J. Robert Oppenheimer wurde Dyson erstmals Mitglied des „Institute for Advanced Study“ (IAS), an dem damals auch Albert Einstein arbeitete. 1951 nahm er eine ordentliche Professur an der Cornell University an, 1953 erhielt er eine unbefristete Anstellung am IAS. Dort konnte er unter großer Freiheit seinen Forschungsinteressen auf immer wieder neuen Feldern nachgehen. Dazu gehörte eine dreijährige Zusammenarbeit mit General Atomic bei der Entwicklung des inhärent sicheren, kleinen TRIGA-Kernreaktors und die 15-monatige Mitwirkung am Orion-Projekt, bei dem es um die Entwicklung eines atomgetriebenen Raumschiffs ging. Berühmt geworden ist seine 1960 entwickelte Idee einer riesigen Sphäre (Dyson-Sphäre) um einen Stern, mit dem sich dessen gesamte ausgestrahlte Energie auffangen und nutzen lassen könnte.

Dyson engagierte sich auch für Rüstungskontrolle und Abrüstung, insbesondere den Atomteststoppvertrag. Er war darüber hinaus ein begeisterter wissenschaftlicher Popularisator und veröffentlichte ab Mitte der 1970er-Jahre zahlreiche Artikel und Bücher zu einer Vielzahl von Themen, wie dem Verhältnis von Wissenschaft und Religion, den Möglichkeiten für eine Kolonisierung des Sonnensystems oder der Genetik. Er blieb bis zuletzt ein Skeptiker des Klimawandels, wobei er sich hier weniger an der wissenschaftlichen Debatte beteiligte, sondern eher auf weltanschaulicher und politischer Ebene gegen einen Klimanotstand argumentierte.

„Freeman Dyson war wirklich ein ‚Freidenker‘ – es gab absolut keine Grenzen für das, was er sich vorzustellen bereit war, keine Grenzen der Komplexität, der konventionellen Weisheit, des Umfangs und der Zeit“, erklärt Charles Simonyi, Vorsitzender des IAS-Vorstands. Und Edward Witten, Charles Simonyi-Professor an der School of Natural Sciences, betont: „Dyson leistete fundamentale Beiträge in unglaublich vielen Bereichen der Physik und Mathematik. Er hat fast überall seine Spuren hinterlassen.“

Alexander Pawlak

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Anmerkung: Im Text wurde ein Satz zu Dysons Haltung in der Klimawandeldiskussion ergänzt. (3.3.2020)

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