Technologien für Raumfahrtmissionen in sehr geringer Höhe
Grünes Licht für den neuen Sonderforschungsbereich.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft gibt grünes Licht für den neuen Sonderforschungsbereich „Advancing Technologies of Very Low Altitude Satellites“. Unter Federführung der Universität Stuttgart wollen Wissenschaftler die technologischen Grundlagen für eine nachhaltige Nutzung des Bereichs der sehr niedrigen Erdorbits erarbeiten. Dieser Bereich bietet große Potenziale, um wissenschaftliche und kommerzielle Satellitenmissionen zu verbessern und zukunftsfähig zu gestalten. „Der neue Sonderforschungsbereich ATLAS leistet einen grundlegenden, wegweisenden und unverzichtbaren Beitrag für die Zukunft der Weltraumnutzung und Pionierarbeit für die nachhaltige Satellitennutzung“, erklärt Wolfram Ressel, Rektor der Uni Stuttgart. „Sein interdisziplinäres Team vereint exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die gemeinsam daran arbeiten, den Stuttgarter Weg umzusetzen und intelligente Systeme für eine zukunftsfähige Gesellschaft zu entwickeln.“
Die Forscher der Uni Stuttgart und des DLR wollen die Lebensdauer von Satelliten in diesem Bereich von heute etwa sechs Monaten auf mehrere Jahre erhöhen, ohne dass große Mengen an Treibstoff von der Erde mitgeführt oder nachgeliefert werden müssen. Eingesetzt werden sollen die kleinen, wirtschaftlichen und nachhaltigen Satelliten der Zukunft in einer Höhe von 200 bis 450 Kilometern über der Erdoberfläche in einem bislang für sie nicht nutzbaren Bereich, dem „Very Low Earth Orbit Regime“ VLEO. „Wir wollen die hierfür notwendigen wissenschaftlichen Grundlagen erarbeiten, um diese Potenziale zu erschließen, und so unverzichtbare Satellitendienste zukunftsfähig machen, die unter anderem für die Erdbeobachtung, die Kommunikation und insbesondere für die Klimaforschung eine herausragende Bedeutung haben“, sagt Stefanos Fasoulas, Sprecher des SFB ATLAS und geschäftsführender Direktor des Instituts für Raumfahrtsysteme der Uni Stuttgart.
Im VLEO können Erdbeobachtungsmissionen mit höherer Auflösung erfolgen und Kommunikationsanwendungen mit geringeren Zeitverzögerungen arbeiten. Dort eingesetzte Satellitensysteme könnten kleiner und leichter konstruiert werden und, bedingt durch die Nähe zur Erde, mit geringeren Kosten in eine Umlaufbahn gebracht werden. Der VLEO ist zudem ein Bereich, der neue Forschungsmissionen ermöglicht, die auch den Schwerpunkt der im SFB ATLAS untersuchten Anwendungsszenarien darstellen. Außerdem bleiben Satelliten in diesem Bereich nach ihrer Lebenszeit nicht als Weltraumschrott zurück, da diese so stark abgebremst werden, dass sie schnell an Höhe verlieren und schlussendlich in die niedrigeren Schichten der Atmosphäre eintreten, wo sie zeitnah verglühen.
Diese starke Abbremsung der Satelliten stellt für die Wissenschaftler jedoch auch die größte Herausforderung dar, um einen dauerhaften und somit ökonomisch sinnvollen Satellitenbetrieb in diesem Bereich zu ermöglichen. Aufgrund von komplexen Wechselwirkungen zwischen der Solarstrahlung, dem Erdmagnetfeld und der obersten Atmosphärenschicht, in welcher die Satelliten um die Erde kreisen, verläuft der Abbremsungsprozess sehr dynamisch, ist bislang äußerst schwer vorhersagbar und kaum erforscht. Neuartige Triebwerke, die im Rahmen des SFB erforscht werden, stellen ein mögliches Schlüsselelement dar, um dieser Abbremsung kontinuierlich entgegenzuwirken und die Satelliten dauerhaft auf ihren Bahnen zu halten.
„Wenn wir Satellitensysteme im VLEO einsetzen wollen, müssen wir diese volatilen Randbedingungen verstehen, beherrschen und dann im gesamten Missionsplan berücksichtigen“, erläutert Fasoulas. Die Forscher gehen dabei der Frage nach, wie die vorherrschende Restatmosphäre, also die verbleibenden Gaspartikel, genutzt werden können. In drei Projektbereichen wollen sie im Rahmen von ATLAS die Rahmenbedingungen für künftige wissenschaftliche Satellitenmissionen im VLEO analysieren, neue Lösungen für Komponenten und Satelliten-Subsysteme, beispielsweise neuartige Antriebssysteme oder eine effiziente Energieversorgung, entwickeln sowie die Wechselwirkungen zwischen der sehr dünnen Restatmosphäre und Oberflächen unter VLEO-Bedingungen untersuchen.
Ziel des neuen Sonderforschungsbereichs ist es, der internationalen Raumfahrtgemeinschaft neue Methoden und Technologien zur Verfügung zu stellen, die zuverlässige Studien und die Entwicklung konkreter Missionsszenarien im VLEO ermöglichen. Das könnte unter anderem neuen quantentechnologischen Anwendungen den Weg bahnen, die etwa unsere Echtzeit-Kommunikation sicherer oder Messinstrumente leistungsfähiger machen. „Wir wollen dafür sorgen, dass das Thema weltweit aufgegriffen wird und setzen in ATLAS eine Forschungsidee um, die langfristig tragen soll“, betont Fasoulas.
Der Sonderforschungsbereich wird von der DFG zunächst für vier Jahre gefördert. Die interdisziplinären Forschungen sind insgesamt auf einen Zeitraum von zwölf Jahren ausgelegt. Am SFB beteiligen sich unter Federführung der Universität Stuttgart 25 Teilprojektleitende von 14 Instituten, die zu sechs Fakultäten der Universität Stuttgart sowie dem Institut für technische Physik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt gehören.
U. Stuttgart / RK