Thermoelektrischen Strömungsexperimente in der Schwerelosigkeit
Testläufe für Raketenstart am 28. Februar in Nordschweden.
Nachts herrschen derzeit 24 Grad minus auf der Esrange-Station bei Kiruna in Nordschweden und auch tagsüber bleiben die Temperaturen unter null. Dem Wissenschaftlerteam um Christoph Egbers von der BTU Cottbus-Senftenberg können die widrigen Bedingungen jedoch nichts anhaben. Sie arbeiten seit vielen Jahren an Strömungsexperimenten und fiebern jetzt dem Start einer Höhenforschungsrakete entgegen, die ihr Experiment für sechs Minuten in der Schwerelosigkeit hält. Nach bisher zwölf erfolgreichen Experimentkampagnen zur thermoelektrischen Konvektion im freien Fall bei Parabelflug-Missionen in Frankreich ist dies die erste Mission in einer Höhenflugrakete.
„Während des Raketenflugs können unsere thermoelektrischen Strömungsexperimente in einem etwa 18-fach längeren Zeitraum in annähernder Schwerelosigkeit stattfinden, als die Parabelflüge es ermöglichen“, erläutert Egbers. „Damit erhöht sich die Qualität der Versuchsergebnisse deutlich. Die Möglichkeit, dass unser Experiment als eines von vier Versuchsaufbauten mitfliegt, ist für unsere Forschungen sehr bedeutend.“ Egbers und sein Team untersuchen den Wärme- und Stofftransport in einer Flüssigkeit unter Weltraumbedingungen. Mit den Erkenntnissen lassen sich beispielsweise Wärmetauscher in Kühlsystemen oder Satelliten optimieren.
Bis zum Start werden nun viele Tests vor Ort realisiert. „Wichtig ist die sorgfältige Überprüfung der Flüssigkeiten“, sagt der Projektleiter Martin Meier. „Es dürfen auf keinen Fall Blasen in der Flüssigkeit enthalten sein.“ Bis zum Countdown muss alles reibungslos funktionieren. An Bord der Rakete sind neben dem Modul des BTU-Projekts „TEKUS – thermoelektrische Konvektion unter Schwerelosigkeit“ noch drei weitere Experimente aus der physikalisch-chemischen und biologischen Forschung.
Derzeit lagert das etwa 40 Zentimeter breite und 1,1 Meter hohe TEKUS-Modul der BTU in einer Laborhalle, wo sich auch die Rakete befindet, in die es eingebaut werden muss. Alle vier Experimentmodule werden übereinander geschichtet, so dass sie auf eine Länge von etwa drei Metern kommen. Die insgesamt über zwölf Meter lange Rakete wird im Experimentmodulbereich gewärmt, damit nichts einfriert.
„Zwischen den Testdurchläufen heißt es immer wieder warten“, sagt Egbers. Das Projektteam arbeitet seit Jahren auf diesen Punkt hin. „Das erfordert eine absolut sichere Vorbereitung. Und das ist zugleich auch das, was uns alle fasziniert: Es knistert förmlich. Das ist etwas Besonderes und alle im Team, auch die, die nicht mitreisen konnten, fiebern mit.“
Im Rahmen des Projekts wird der Einfluss eines elektrohydrodynamischen Kraftfelds auf den Wärme- und Stofftransport in einem Zylinderspalt untersucht. Der Zylinderspalt entsteht zwischen zwei ineinander gestellten, senkrechten Rohren und ist oben und unten durch Deckel- und Bodenplatte begrenzt. Der Spalt ist mit einem elektrisch nichtleitenden Öl gefüllt. Während das innere Rohr beheizt wird, wird das äußere Rohr von außen gekühlt. Der Temperaturunterschied führt zu einer Grundströmung.
Erhöht sich der Temperaturunterschied, nimmt die Grundströmung neue Formen an, der Wärmetransport zwischen Innen- und Außenrohr ist verstärkt. Wenn auf dieses System nun ein Kraftfeld in Form einer angelegten Wechselspannung wirkt, entsteht eine elektrohydrodynamische Kraftwirkung. Unter Erdbedingungen stört dieses künstliche Kraftfeld die Stabilität der Auftriebsströmung und kann den Wärmetransport verstärken.
Unter Mikrogravitationsbedingungen, wie sie beispielsweise im Parabelflug auftreten, wird die Auftriebsströmung jedoch vernachlässigbar klein. Das durch die Hochspannung aufgebaute Kraftfeld ist dann allein ausschlaggebend für das Entstehen von Strömungen im Zylinderspalt, die vielfältige Formen bis zu turbulenten Strömungen annehmen können. Diese Strömungsformen – und damit auch der Wärmetransport zwischen Innen- und Außenrohr – können mit der Höhe der elektrischen Spannung kontrolliert werden.
BTU Cottbus-Senftenberg / RK
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