21.02.2022

Thermoelektrischen Strömungsexperimente in der Schwerelosigkeit

Testläufe für Raketenstart am 28. Februar in Nordschweden.

Nachts herrschen derzeit 24 Grad minus auf der Esrange-Station bei Kiruna in Nord­schweden und auch tagsüber bleiben die Temperaturen unter null. Dem Wissen­schaftler­team um Christoph Egbers von der BTU Cottbus-Senften­berg können die widrigen Bedingungen jedoch nichts anhaben. Sie arbeiten seit vielen Jahren an Strömungs­experi­menten und fiebern jetzt dem Start einer Höhen­forschungs­rakete entgegen, die ihr Experiment für sechs Minuten in der Schwere­losig­keit hält. Nach bisher zwölf erfolg­reichen Experiment­kampagnen zur thermo­elek­trischen Konvektion im freien Fall bei Parabelflug-Missionen in Frankreich ist dies die erste Mission in einer Höhen­flug­rakete.

Abb.: Raketen­start­feld in der Schnee­land­schaft an der Esrange-Station...
Abb.: Raketen­start­feld in der Schnee­land­schaft an der Esrange-Station bei Kiruna in Nord­schweden. (Bild: BTU Cottbus-Senften­berg)

„Während des Raketen­flugs können unsere thermo­elektrischen Strömungs­experimente in einem etwa 18-fach längeren Zeitraum in annähernder Schwere­losig­keit statt­finden, als die Parabel­flüge es ermöglichen“, erläutert Egbers. „Damit erhöht sich die Qualität der Versuchs­ergebnisse deutlich. Die Möglichkeit, dass unser Experiment als eines von vier Versuchs­auf­bauten mitfliegt, ist für unsere Forschungen sehr bedeutend.“ Egbers und sein Team unter­suchen den Wärme- und Stoff­transport in einer Flüssig­keit unter Weltraum­bedingungen. Mit den Erkennt­nissen lassen sich beispiels­weise Wärme­tauscher in Kühl­systemen oder Satelliten optimieren.

Bis zum Start werden nun viele Tests vor Ort realisiert. „Wichtig ist die sorgfältige Über­prüfung der Flüssig­keiten“, sagt der Projekt­leiter Martin Meier. „Es dürfen auf keinen Fall Blasen in der Flüssigkeit enthalten sein.“ Bis zum Countdown muss alles reibungslos funktionieren. An Bord der Rakete sind neben dem Modul des BTU-Projekts „TEKUS – thermo­elektrische Konvektion unter Schwere­losig­keit“ noch drei weitere Experi­mente aus der physi­kalisch-chemischen und biologischen Forschung.

Derzeit lagert das etwa 40 Zentimeter breite und 1,1 Meter hohe TEKUS-Modul der BTU in einer Laborhalle, wo sich auch die Rakete befindet, in die es eingebaut werden muss. Alle vier Experiment­module werden über­ein­ander geschichtet, so dass sie auf eine Länge von etwa drei Metern kommen. Die insgesamt über zwölf Meter lange Rakete wird im Experiment­modul­bereich gewärmt, damit nichts einfriert.

„Zwischen den Test­durch­läufen heißt es immer wieder warten“, sagt Egbers. Das Projektteam arbeitet seit Jahren auf diesen Punkt hin. „Das erfordert eine absolut sichere Vorbereitung. Und das ist zugleich auch das, was uns alle fasziniert: Es knistert förmlich. Das ist etwas Besonderes und alle im Team, auch die, die nicht mitreisen konnten, fiebern mit.“

Im Rahmen des Projekts wird der Einfluss eines elektro­hydro­dynamischen Kraftfelds auf den Wärme- und Stoff­transport in einem Zylinder­spalt unter­sucht. Der Zylinder­spalt entsteht zwischen zwei inein­ander gestellten, senkrechten Rohren und ist oben und unten durch Deckel- und Bodenplatte begrenzt. Der Spalt ist mit einem elektrisch nicht­leitenden Öl gefüllt. Während das innere Rohr beheizt wird, wird das äußere Rohr von außen gekühlt. Der Temperatur­unter­schied führt zu einer Grund­strömung.

Erhöht sich der Temperatur­unter­schied, nimmt die Grund­strömung neue Formen an, der Wärme­transport zwischen Innen- und Außenrohr ist verstärkt. Wenn auf dieses System nun ein Kraftfeld in Form einer angelegten Wechsel­spannung wirkt, entsteht eine elektro­hydro­dynamische Kraft­wirkung. Unter Erdbedingungen stört dieses künstliche Kraftfeld die Stabilität der Auftriebs­strömung und kann den Wärme­transport verstärken.

Unter Mikro­gravitations­bedingungen, wie sie beispiels­weise im Parabel­flug auftreten, wird die Auftriebs­strömung jedoch vernach­lässigbar klein. Das durch die Hoch­spannung aufge­baute Kraftfeld ist dann allein ausschlag­gebend für das Entstehen von Strömungen im Zylinder­spalt, die viel­fältige Formen bis zu turbulenten Strömungen annehmen können. Diese Strömungs­formen – und damit auch der Wärme­transport zwischen Innen- und Außenrohr – können mit der Höhe der elektrischen Spannung kontrolliert werden.

BTU Cottbus-Senftenberg / RK

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