22.02.2007

Trauminseln im Sperrgebiet

Die Abgeschiedenheit des Bikini-Atolls machte es nicht nur zu einem idyllischen Naturparadies, sondern auch zum idealen Ort, um die ersten amerikanischen Atombomben nach Hiroshima zu testen.



Die Abgeschiedenheit des Bikini-Atolls machte dieses einst zum idyllischen Naturparadies im Pazifik, aber auch zum idealen Ort, um die ersten amerikanischen Atombomben nach Hiroshima zu testen. Eine Fernsehdokumentation nimmt die Zuschauer auf eine faszinierende Reise zu den Überresten der Explosionen und der Natur des Bikini-Atolls fast fünf Jahrzehnte nach den letzten Tests.

„Die Bombe wird keine Kettenreaktion starten, die das gesamte Wasser in Gas umwandelt und alle Schiffe im ganzen Ozean sinken lässt, sie wird kein Loch in den Seeboden sprengen, durch den das gesamte Meerwasser abfließt, und sie wird nicht die Schwerkraft zerstören.“ Die Ängste der Bevölkerung, die Vizeadmiral William Blandy, leitender Offizier des ersten Atombombentests nach Ende des Zweiten Weltkriegs, zerstreuen musste, erscheinen uns heute angesichts der tatsächlichen atomaren Bedrohungen skurril. Aber die damalige spektakuläre Inszenierung macht die Ängste vielleicht doch verständlich.

Für die „Operation Crossroads“ wurde im Juli 1946 eine gewaltige Flotte von über 70 ausgedienten oder eroberten Kriegsschiffen zusammengezogen, um die Zerstörungskraft zweier Atombomben zu testen, und sicher auch um im beginnenden Kalten Krieg mit der Sowjetunion Eindruck zu schinden. Doch bevor die Bombenexplosionen die Geisterflotte versenkten und die Natur der Inseln und im großen Umkreis Unterwasser zerstörten, musste die gesamte Bevölkerung des Bikini-Atolls umgesiedelt werden. Versuche, die damals zwangsevakuierte Urbevölkerung wieder anzusiedeln, sind in den 70er Jahren abgebrochen worden. Zu hoch war damals noch die Reststrahlung der insgesamt 23 Atombomben die auf Bikini bis 1958 gezündet worden waren.

Abb. 1: Atombombenexplosion auf dem Bikini-Atoll. Insgesamt 23 Atombomben wurde in dem pazifischen Naturparadies bis 1958 gezündet. (Quelle: U.S. National Archives Washington)

Die Militärs haben die Inseln des Bikini-Atolls mittlerweile schon längst verlassen. Die Natur blieb seitdem unberührt und hat viele der vom Menschen angerichteten Schäden reparieren können, wenngleich nicht alle. Die Fernsehdokumentation „Bikini – Trauminseln im Sperrgebiet“ der Heidelberger Naturfilmer Annette und Klaus Scheurich gewährt einen Einblick in die Natur des Bikini-Atolls über und unter dem Wasser. Der Krater der Wasserstoffbombe Bravo von 1954 sieht heute aus wie eine unterseeische Mondlandschaft, in der nur mühsam neue Korallen siedeln können. Andere Riffe im ehemaligen Sperrgebiet haben sich dagegen über Dekaden ungestört in all ihrer Pracht entwickeln konnten. Selbst die Haie des Atolls konnten sich hier vor asiatischen Fangflotten sicher fühlen. Wohl nirgendwo gibt es so eine gesunde Haipopulation, die für ihre Aggressivität bekannt ist – vielleicht die Folge einer genetischen Mutation?

Abb. 2: Taucher am Bug der USS Saratoga. Aus den bei den Atombombenexplosionen versenkten Schiffen wie diesem Flugzeugträger sind riesige künstliche Riffe entstanden. Refugien für unzählige Fische, Korallen und andere niedere Tiere. (Quelle: Jan Hinrich Hoffmann)

Bei den Atombombentests standen zu Beginn die direkten Auswirkungen der Explosionen auf Schiffe, Flugzeuge und Tiere im Zentrum des Interesses. Die Untersuchung der langfristigen strahlenbiologischen Folgen auf die Natur befindet sich jedoch auch heute noch vielfach erst am Anfang. „Das ist politisch vermintes Gelände“, sagt Filmer Klaus Scheurich, der für die Dokumentation über das heutige Bikini-Atoll vergeblich den Kontakt zu den zuständigen Strahlenforschern suchte. Terminvereinbarungen hätten monatelangen Vorlauf benötigt, Interviewfragen zur Genehmigung eingereicht werden müssen. Dabei war bereits die bloße Anreise zum Bikini-Atoll mit vier Tagen Dauer aufwändig genug.

Die Tierwelt hat sich ihr Reich zurückerobert und aus gigantischen Wracks wie dem Flugzeugträger USS Saratoga oder dem japanische Schlachtschiff Nagato riesige künstliche Riffe geschaffen. Refugien für unzählige Fische, Korallen und andere niedere Tiere. Die Wracks der Geisterflotte sind inzwischen ein exklusives Traumziel für Taucher geworden. In gewissem Sinne ist hier sechzig Jahre nach den ersten Atomtests ein Paradies wiederauferstanden.

Alexander Pawlak, Physik Journal

Sendetermine:

  • Bikini – Trauminseln im Sperrgebiet
    Ein Film von Annette Scheurich und Marcel Steuermann, Regie: Klaus Scheurich
    Donnerstag, 22. Februar 2007 um 19:00 Uhr auf ARTE
    Donnerstag, 01. März 2007 um 16:50 Uhr auf ARTE
    Samstag, 03. März 2007 um 18:10 Uhr auf ARTE

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