Überall Vakuum …
… und häufiger HiPIMS-Technologie als gedacht.
Alle, die sich den vakuumgestützten Wissenschaften und Technologien verschrieben haben, sehen nicht nur großen Beschleunigerringen und kleinen evakuierten Rezipienten Vakuumtechnik am Werk, sondern auch noch in den meisten Festkörper-Produkten– und haben damit sogar häufig recht. Ist es nicht eine der vakuumgestützten Beschichtungstechnologien selbst, die einer Anwendung den echten Clou verleiht, so kommt doch bei deren Entwicklung nicht selten eines der vakuumgestützten Analyseverfahren zum Einsatz – und bestärkt die von Vakuumtechnik begeisterten erneut in ihrer Überzeugung, dass es ohne Vakuumtechnik nicht geht.
Nicht nur die ViP zeigt regelmäßig Vielseitigkeit und Vorzüge mittels Plasmaverfahren aufgebrachter Schichtsysteme in vielfältigsten Anwendungen. In dieser Ausgabe geschieht das schwerpunktmäßig für das Hochleistungs-Puls-Magnetronsputtern, einer Variante des Magnetronsputterns, jener durch den Einsatz von Permanentmagneten verstärkten plasmagestützten Zerstäubung von Material zwecks anschließendem Schichtaufbau. Die HiPIMS (high power impulse magnetron sputtering) oder HPPMS (high power pulsed magnetron sputtering) genannten Verfahren erzielen mittels etwa 100 Mikrosekunden kurzer Pulse hohe Ionisationsgrade der gesputterten schichtbildenden Teilchen (zwischen 50 und 90 Prozent im Gegensatz zu wenigen Prozent beim Gleichstrom-Magnetronsputtern), wobei ein Puls-Pausenverhältnis von etwa 1 : 100 den Wärmeeintrag reduziert.
In den letzten zwanzig Jahren wurde diese Technik weiterentwickelt, zur Anwendungsreife gebracht und in Anlagentechnologie und Beschichtungsservice etabliert. Neben typischen Verschleißschutzanwendungen kommen HiPIMS-Depositionsverfahren bei der Entwicklung geeigneter Divertorplatten für Fusionsreaktoren wie Jet und ITER ebenso zum Einsatz, wie bei der Entwicklung supraleitender Hochfrequenz-Beschleunigungskavitäten für einen kosteneffizienten Betrieb des Future Circular Collider (FCC). Auch das goldene iPhone 12 Pro soll von mittels HiPIMS aufgebrachten Schichten so profitieren, dass Gerüchte in der Apple-Welt dieses besondere Beschichtungsverfahren in der kommenden Smart-phone-Generation ausgedehnter zur Anwendung kommen sehen und das Verfahren zumindest dem Namen nach über die Community hinaus bekannt wird.
In der neuen Ausgabe der ViP werden einige Vorzüge von HiPIMS-Verfahren für tribologische Anwendungen vorgestellt. Dabei fügen Prof. Dr.-Ing. Kirsten Bobzin und ihr Team vom Institut für Oberflächentechnik der RWTH Aachen das Beste beider Welten zusammen, indem sie Gleichstrom-Magnetron-sputtern (dcMS, direct current magnetron sputtering) und HiPIMS bei der Beschichtung von Hobeln kombinieren, um mit hohen Abscheideraten eine homogene Schichtdickenverteilung auf dem Werkzeug zu erreichen. Die anschließende detaillierte Untersuchung der so deponierten Schichtsysteme gibt Aufschluss über die Eigenschaften der Schichten und zeigt, wie adhäsiver Verschleiß verhindert und Reibung reduziert werden kann.
Wie unsynchronisierte, trockenlaufende Schraubenmaschinen von einer HiPIMS-deponierten Schicht profitieren zeigen Daniel Aurich und seine Co-Autoren von der Technischen Universität Dortmund. Das Verfahren punktet hier mit einer reibwertreduzierenden endkonturnahen Beschichtung der geometrisch herausfordernden Bauteile wie in ausführlichen Einsatzversuchen unter realen Betriebsbedingungen gezeigt wird.
Es versteht sich von selbst, dass mit Ionen nicht nur gesputtert werden kann. Eric Ritter und Dr. Alexandra Philipp von der Dreebit GmBH stellen Funktionsweise und Anwendungsmöglichkeiten der Raumtemperatur-Elektronenstrahlionenquelle Dresden EBIS-A vor. Neben der Vermessung von Kernradien eignen sich die damit erzeugten langsamen und extrem hochgeladenen Ionen auch zur nahezu nanometergenauen Oberflächenmodifikation, indem ihre ladungszustandsbedingte potentielle Energie zum Umbau der obersten Atomlagen eines Festkörpers genutzt wird.
Dass dies alles ohne Vakuum nicht geht, liegt auf der Hand – und welche Herausforderungen Experiment, Produktion und Anwendung im nahezu luftleeren Raum stellen, ist allen in der Branche vertraut. Davon können auch drei ansonsten sehr unterschiedliche Betriebe berichten: Die Jena-Optronik GmbH, die mit ihren hochgenauen Sternsensoren Weltraumsonden Orientierung verleiht, die Spaceoptix GmbH, die mit ihren Freiformoptiken komplexe Spiegelgeometrien für satellitengestützte Erdbeobachtung realisiert und die Vacom Vakuum Komponenten & Messtechnik GmbH, die hochpräzise Messgeräte und Komponenten für Vakuumanlagen entwickelt und produziert. Im Rahmen eines Interviews stellen die drei ausgezeichneten Unternehmen ihre Innovationen vor und gewähren Einblicke in ihre Unternehmen, Arbeitsweisen und Zukunftserwartungen.
Mit den im Magazinteil gesammelten Nachrichten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gemeinschaft sorgt die Zusammenstellung hoffentlich für kurzweilige Unterhaltung, nachhaltige Inspiration und viel Vergnügen beim Lesen.
Wiley / LK