Viskositätssprung im Erdmantel
Ansteigende Korngröße von Bridgmanit ist für zunehmende Viskosität im unteren Erdmantel verantwortlich.
Ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Tomoo Katsura am Bayerischen Geoinstitut (BGI) der Universität Bayreuth hat herausgefunden, weshalb Gesteine im Erdinneren in einer Tiefe zwischen 800 bis 1200 Kilometern plötzlich eine sehr viel höhere Festigkeit haben. Ursache für diese Veränderung sind Gesteine, die mit dem Mineral Bridgmanit angereichert sind. Diese Gesteine machen den größten Teil des unteren Erdmantels unterhalb von etwa 1000 Kilometern Tiefe aus. Diese Gesteine haben eine viel größere Korngröße als die darüber liegenden Gesteine, was zu einer hohen Festigkeit führt.
Bridgmanit ist das am häufigsten vorkommende Mineral im unteren Erdmantel, der sich von einer Tiefe von 660 Kilometern bis 2900 Kilometern erstreckt und etwa die Hälfte der gesamten Erde ausmacht. Wissenschaftler aus Deutschland, China, Frankreich, Großbritannien und den USA haben herausgefunden, dass die Korngröße von Bridgmanit ab einer Tiefe von etwa 1000 Kilometern ansteigt, da die Gesteine des unteren Erdmantels mit zunehmender Tiefe mit Bridgmanit angereichert sind. Infolgedessen nimmt die Viskosität und somit auch die Festigkeit der Gesteine deutlich zu, da die Viskosität mit der Korngröße ansteigt.
Der darüber liegende flachere Teil des unteren Erdmantels, der bis in eine Tiefe von rund 1000 Kilometern reicht, besteht aus Pyrolit. Dieses Gestein enthält neben Bridgmanit zwanzig Volumenprozent an anderen Mineralen. Diese anderen Minerale verhindern das Kornwachstum von Bridgmanit. In den mit Bridgmanit angereicherten Gesteinen tritt dieser Effekt nicht auf, so dass Bridgmanit dort ungehindert zu großen Körnern heranwachsen kann.
Der daraus resultierende Viskositätssprung wirkt sich auf eine Vielzahl von geophysikalischen und geochemischen Prozessen aus. „Obwohl subduzierte Platten relativ reibungslos in den unteren Erdmantel eintauchen, wird ihr Absinken im flachen Teil des unteren Erdmantels zunehmend verlangsamt. Andererseits scheint sich das Aufsteigen von heißen Teilen des Erdmantels, den sogenannten Mantel-Plumes oder Mantel-Diapiren, die in verschiedenen Gebieten der Erdoberfläche Vulkane erzeugen, oberhalb von 1000 Kilometern zu beschleunigen. Diese Beobachtungen waren bisher schwer zu verstehen, jetzt aber können wir sie wissenschaftlich erklären", sagt der Erstautor, Hongzhan Fei, der am Bayerischen Geoinstitut (BGI) geforscht hat und jetzt eine Professur an einer der Spitzenuniversitäten Chinas, der Zhejiang-Universität in Hangzhou, innehat.
Die hochviskosen, mit Bridgmanit angereicherten Gesteine entstanden in der Frühgeschichte der Erde bei der Kristallisation eines Magmenozeans. Da sie eine so hohe Festigkeit haben, kann die Mantelkonvektion sie nicht mit anderen Bestandteilen des Mantels vermischen. Infolgedessen sind die mit Bridgmanit angereicherten Gesteine seit Milliarden von Jahren im tiefen unteren Erdmantel erhalten geblieben.
Tomoo Katsura, Inhaber des Lehrstuhls für Struktur und Dynamik des Erdmaterials am BGI, setzt die neuen Forschungsergebnisse in Beziehung zu seismischen Beobachtungen. „Seismologen haben gezeigt, dass viele subduzierte Erdplatten in der Schicht zwischen 600 und 1500 Kilometern Tiefe stecken bleiben. Sie haben auch gezeigt, dass Mantel-Diapire zwar vertikal aufsteigen und unterhalb einer Tiefe von 1000 Kilometern mit seismischen Verfahren abgebildet werden können, oberhalb dieser Tiefe jedoch schwer nachweisbar sind. Unsere neue Theorie kann diese Beobachtungen erklären. Da die Viskosität mit der Tiefe zunimmt, können die Platten in Regionen, die tiefer als 1000 Kilometer sind, nur schwer eindringen. Andererseits steigen die Mantel-Diapire in dieser Tiefe schneller auf, so dass sie dünner werden und schwer abzubilden sind“, erklärt Katsura.
U. Bayreuth / DE