21.09.2018

Von rasenden Herzen und ballverliebten Robotern

Bei den Highlights der Physik dreht sich in Dortmund alles um physikalische Forschung in Medizin und Sport.

Wenn die Westfalenhallen Dortmund bis auf den letzten Platz gefüllt sind, stehen normalerweise Bands wie Slayer oder Comedians wie Mario Barth auf der Bühne. Nicht so am vergangenen Montag: Da trieb „Herzrasen“ das Publikum in das Veranstaltungszentrum. Etwa 6000 Besucherinnen und Besucher ließen sich mehr als drei Stunden lang von der Wissenschaftsshow begeistern, die Ranga Yogeshwar zum Auftakt der diesjährigen Highlights der Physik moderierte. Als illustre Gäste konnte er Bundesforschungsministerin Anja Karliczek, den Radiologen und Buchautor Dietrich Grönemeyer sowie den Schriftsteller Frank Schätzing begrüßen.

Bei der Highlights-Show ließ sich Moderator Ranga Yogheswar einen...
Bei der Highlights-Show ließ sich Moderator Ranga Yogheswar einen Fussballroboter erklären. (Quelle: W. und M. Offer)

Die Highlights der Physik machen seit 2001 jedes Jahr in einer anderen Stadt mit neuem Motto Station. In Dortmund steht physikalische Forschung aus den Bereichen Medizin und Sport im Mittelpunkt – da darf das Herz mit seinen dynamischen Erkrankungen, die sich durch nichtlineare Dynamik beschreiben lassen, nicht fehlen. Auf der Bühne in den Westfalenhallen demonstrierte Stefan Luther vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen eindrucksvoll, wie sich Herzrasen – medizinisch als Tachykardie bekannt –, viel sanfter als durch den Elektroschock einer Defibrillation beheben lässt: durch ein periodisch getaktetes, schwaches Aktivieren der Herzmuskelfasern in einer sehr begrenzten Region. Damit diese Methode in Zukunft auch für den chaotischen Zustand während einer Fibrillation funktioniert, will Luther mit seinem Team noch besser verstehen, welche physikalischen Vorgänge diesem Zustand zugrunde liegen.

Anhand einer Simulation ausprobieren, ob diese Methode tatsächlich funktioniert, können alle Besucherinnen und Besucher der Highlights-Ausstellung rund um die Reinoldikirche im Herzen der Dortmunder Innenstadt. Direkt daneben lässt sich in der Ausstellung ein menschliches Herz in einem begehbaren Modell erkunden, und zwei überdimensionale Arterien zeigen den gesunden Zustand der menschlichen Schlagadern im Vergleich zum Blutgefäß mit eingesetztem Stent. Aus Sicht der Medizinphysik dürfen natürlich auch Informationen zur Physik des Sehens, Hörens und Tastens sowie Riechens und Schmeckens nicht fehlen – immer garniert durch Mitmach-Experimente, welche die zahlreichen „Schrittmacher“, also die meist studentischen Helferinnen und Helfer der Highlights, kompetent betreuen.

Großer Andrang herrscht bei den Schülervorträgen im Dortmunder Rathaus...
Großer Andrang herrscht bei den Schülervorträgen im Dortmunder Rathaus (links) und in der Highlights-Ausstellung an der Reinoldikirche. (Quelle: W. und M. Offer)

Mitmachen heißt es auch, wenn es um modernste Prothesentechnik geht. Hier kann man ausprobieren, wie sich ein Exoskelett an Hand und Unterarm anfühlt oder mit welcher Sensorik der Körper vermessen wird, um Prothesen individuell an ihren Träger anzupassen. Zuschauen ist dagegen beim Roboter-Fußball angesagt: Die Mannschaft der TU Dortmund in der Standard Platform League zeigt ihr Können – und das beeindruckt Jung und Alt, handelt es sich doch um die Weltmeister von 2016. Gleich nebenan begrüßt Rosie die Besucher: ein Roboter, ausgestattet mit lernfähiger Software. Durch Interaktion soll sie selbständig lernen, mit Menschen zu kommunizieren und sich deren Verhaltensweisen anzueignen.

Bei der Highlights-Show hatte Rosie auch einen großen Auftritt, passenderweise gemeinsam mit Frank Schätzing, der sich in seinem neuen Roman mit den Vorzügen und Gefahren von Künstlicher Intelligenz auseinandersetzt. Mehr als ein „Guten Abend!“ und „Wie geht es Ihnen?“ kam der kleinen Roboterdame allerdings im Gespräch mit dem Autor nicht über die Lippen. Wortgewandter zeigte sich dagegen Bundesforschungsministerin Anja Karliczek. Als passionierte Hobby-Fliegerin erklärte sie das Entstehen und die Gefahr so genannter Wirbelschleppen hinter Flugzeugen und unterstrich, wie wichtig es gerade für die MINT-Fächer sei, Kinder und Jugendliche mit Hilfe solcher Alltagsphänomene zu begeistern: „Der Funke muss überspringen – dazu tragen die Highlights mit steigenden Besucherzahlen und immer größerem Einzugsgebiet bei.“

Gerade junge Leute für die Physik zu gewinnen, sollte mit den gemeinsam vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, der Deutschen Physikalischen Gesellschaft und der TU Dortmund veranstalteten Highlights gelingen. Beim deutschen Nationalteam für das International Young Physicists‘ Tournament braucht es diesen Anstoß nicht mehr: Während der Show erhielten die fünf Jugendlichen für ihre Goldmedaille langanhaltenden Applaus, auch weil sich zuvor Martin Link aus dem Team als „Katzenbändiger“ in Claude Criblez‘ Flugzoo bewährt hatte.

Die Show der Physikanten (links) begeistert ebenso wie die Experimente in der...
Die Show der Physikanten (links) begeistert ebenso wie die Experimente in der Physik-Arena (rechts). (Quelle: W. und M. Offer)

Aber nicht nur die Highlights-Show hat die Veranstaltungsreihe als Publikumsmagnet in deutschen Städten etabliert. Ursula Gather, Rektorin der TU Dortmund, betonte: „Metin Tolans Idee, die Highlights zum 50. Geburtstag der TU nach Dortmund zu holen, kam bei der Stadt so gut an, dass uns sofort der beste Platz am Ort für Ausstellung und Vortragsreihen angeboten wurde.“ Die Reinoldikirche wird sicher auch am Freitag- und Samstagabend bis auf den letzten Platz gefüllt sein, wenn Dietrich Grönemeyer und Harald Lesch ihre Abendvorträge halten. Großer Andrang herrscht zurzeit auch in der Bürgerhalle im Dortmunder Rathaus: Hier finden vormittags die Schülervorträge statt, am frühen Nachmittag verwandelt sich der Saal in die Physik-Arena mit Live-Experimenten.

Fester Bestandteil der Highlights sind auch der Schülerwettbewerb „Exciting Physics“ für Tüftlerinnen und Tüftler ab Klasse 5 und der EinsteinSlam, organisiert von der jungen DPG. Neu ist dagegen die Verlängerung des Programms bis in den späten Samstagabend: So tragen die Shows und Vorträge der Highlights zum Auftakt der DEW21-Museumsnacht bei, an der sich fast 40 Galerien, Museen, Kirchen und Kultureinrichtungen bis 2 Uhr nachts beteiligen. Das sollte helfen, ein Ziel des Wissenschaftsfestivals zu erreichen, das DPG-Vizepräsident Rolf-Dieter Heuer formulierte: „Wir wollen mit den Highlights alle Bevölkerungsschichten ansprechen und zeigen, wie wichtig physikalische Forschung ist.“

Der Eintritt zu allen Veranstaltungen und Ausstellungen ist frei.

Kerstin Sonnabend

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