15.11.2024

Wärme speichern mit Phasenwechsel

Pilotanlage liefert heißen Prozessdampf aus erneuerbaren Energien.

Für ein Pilotprojekt bei der Bitburger Braugruppe wird ein ultra-dynamischer Hoch­temperatur-Wärme­speicher auf Basis einer besonderen Metall­legierung entwickelt. Er soll in der Industrie flexibel Prozessdampf aus erneuer­baren Energien bereitstellen. Derzeit wird die Demonstrations­anlage aufgebaut und getestet. Das Projekt „Issdemo“ wird im Rahmen des Clean Energy Transition Partnership Joint Call 2022 gefördert und von der EU kofinanziert. Das Kürzel steht für „Industrial process Steam Supply – DEMOnstration of an ultradynamic thermal energy storage“. Das Vorhaben verfolgt das Ziel, den Anteil erneuerbarer Energien in der industriellen Prozess­wärmeerzeugung zu erhöhen. Denn Prozessdampf ist ein wesentlicher Bestand­teil vieler industrieller Prozesse.

Abb.: Forschende mit einem Latentwärmespeicher auf Basis einer...
Abb.: Forschende mit einem Latentwärmespeicher auf Basis einer Metalllegierung. Eine Demonstrationsanlage dieses Speicherprinzips wird bei der Bitburger Brauerei aufgebaut.
Quelle: Fh.-Umsicht

Der Hochtemperatur-Latentwärmespeicher basiert auf einem Phasenwechsel­material, in diesem Fall einer speziellen Metalllegierung, die ihren Aggregatszustand von fest nach flüssig und umgekehrt wandelt. Er kann Wärme mit einem Temperaturniveau zwischen 250 und 500 Grad Celsius bereitstellen und daraus Dampf erzeugen. Der Speicher soll eine hohe Flexi­bilität und Dynamik bieten, was ihn ideal für die schnelle, bedarfs­gerechte Erzeugung von Prozessdampf macht. Er soll im Projekt auf eine Kapazität von einer Megawattstunde skaliert werden. 

„Das Thema Energie­speicherung ist bei uns in der Bitburger Brauerei nicht neu. Seit vielen Jahren betreiben wir erfolgreich Dampf- und Warmwasser­speicher. Ebenso nehmen wir am Regelenergiemarkt teil, was wir weiter intensivieren wollen. Dafür soll der phasenweise zu erwartende Überschussstrom aus den eigenen regenerativen Energien oder dem Netz im geplanten Latent-Wärmespeicher gepuffert und bei Bedarf als Prozessdampf abgegeben werden. Die Batch-Fahrweise im Braubetrieb führt zu teilweisen Spitzen im Dampf­verbrauch, die durch einen schnell reagierenden Latent-Wärme­speicher neben dem vorhandenen Dampfspeicher geglättet werden können. Damit entlasten wir vor allem unser Kesselhaus. Für uns ist der Hoch­temperatur-Wärmespeicher daher ein weiterer innovativer Ansatz zur Dekar­bonisierung der Brauerei“, erklärt Christian Prechtl, Projekt­ingenieur bei der Bitburger Braugruppe.

Im Projektbetrieb sollen zunächst 300 Lade- und Entladezyklen und 1.000 Betriebs­stunden absolviert werden. Felix Kugler, Gruppenleiter Thermische Speicher und Prozess­wärme bei Fraunhofer UMSICHT, skizziert die zukünftigen Pläne: „Mit den Erfahrungen aus dem Projekt beabsichtigen wir, den Speicher gemeinsam mit einem Anlagen­hersteller zur Marktreife zu bringen. Wir gehen davon aus, dass sich in einer indus­trialisierten Version nahezu unbegrenzte Lade- und Entladezyklen und damit sehr lange Betriebs­zeiten realisieren lassen.“

Die Forschenden machen sich bei der Entwicklung des Latent-Wärmespeichers das Prinzip der Phasen­umwandlung zu Nutze. Wenn Materialien eine Änderung ihres Aggregat­zustands durchlaufen, zum Beispiel von fest zu flüssig, können sie in ihrem Phasenwechsel sehr große Energiemengen in Form von Wärme speichern. Solange die Phasen­umwandlung nicht vollständig abgeschlossen ist, steigt die Temperatur des Materials trotz Wärmezufuhr nicht weiter an, die zugeführte Wärme bliebt verborgen. Dies ermöglicht eine höhere Energiedichte im Vergleich zu sensiblen Hochtemperatur-Wärmespeichern, die als Speicher­materialien Feststoffe wie Beton oder Schotter nutzen, ihre Temperatur aber ändern müssen, um Wärme zu speichern.

Für Latentwärmespeicher ist die Entwicklung geeigneter Phasenwechsel­materialien und deren Verkapselung entscheidend. In Vorprojekten wurden entsprechende Werkstoffe identi­fiziert, getestet und patentiert, die nun für die industrielle Anwendung genutzt werden. Durch die Nutzung von Strom aus erneuer­baren Quellen zur Erzeugung von Prozessdampf können fossile Brennstoffe ersetzt und CO2-Emissionen signifikant reduziert werden. Der Speicher kann schnell auf wechselnde Anforderungen reagieren und bietet somit eine stabile Prozessdampf­versorgung. Die bestehende Prozessdampf-Infrastruktur kann weiter genutzt werden, was eine kosten­effiziente und schnelle Implementierung ermöglicht. Und der Speicher kann netzdienlich geladen werden und somit zur Stabi­lisierung des Stromnetzes beitragen.

Nach der Demonstration in der Getränkeindustrie soll die Technologie skaliert und auf weitere Industriesektoren wie Chemie, Zellstoff & Papier oder Lebensmittel übertragen werden. Anwendungs­szenarien in den entsprechenden Unternehmen werden bereits im Projekt entwickelt. Durch Lizenzierungs­partner soll schließlich der europaweite Roll-Out erfolgen. 

Fh.-UMSICHT / JOL

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