13.06.2023

Wassersparen mit Hilfe aus dem All

Satellitentechnologie für nachhaltigen Einsatz von Wasser in der Landwirtschaft mit Forschungspreis geehrt.

Wasser wird zunehmend knapper. Eine neuartige Satelliten­technologie, die in Form eines Prototyps mit dem Namen „LisR“ bereits auf der Inter­nationalen Raum­station ISS erprobt wurde, ermöglicht es künftig, Pflanzen bedarfs­gerecht zu bewässern und einen nachhaltigen Umgang mit der lebenswichtigen Ressource sicher­zustellen. Für diese Entwicklung erhält ein Team aus Forschern des Fraunhofer-Instituts für Kurzzeit­dynamik, Ernst-Mach-Institut, EMI und des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF sowie der beiden Spin-offs constellr GmbH und Spaceoptix GmbH den Fraunhofer-Preis „Technik für den Menschen und seine Umwelt“.

 

Abb.: Das ausgezeichnete Team (v.l.n.r.): Cassi Welling (constellr GmbH),...
Abb.: Das ausgezeichnete Team (v.l.n.r.): Cassi Welling (constellr GmbH), Henrik von Lukowicz (Fh.-IOF), Matthias Beier (Spaceoptix GmbH) und Clemens Horch (Fh.-EMI; Bild: Fh.-Ges. / P. Banczerowski)

In Deutschland sind wir es gewohnt, ausreichend Wasser zur Verfügung zu haben. Künftig jedoch dürfte die lebenswichtige Ressource knapp werden – schließlich geht der Weltklimarat davon aus, dass infolge des Klimawandels die Intensität und Häufigkeit von Dürren weiter zunehmen. Darüber hinaus wächst die Weltbevölkerung immer weiter: Bis 2050 werden Schätzungen zufolge knapp zehn Milliarden Menschen auf der Erde leben – Menschen, die mit Nahrungs­mitteln versorgt werden müssen. Eine Herausforderung, wenn man bedenkt, dass aktuell etwa siebzig Prozent unseres Trinkwassers für Bewässerung genutzt werden. Besonders besorgnis­erregend: Sechzig Prozent davon werden durch übermäßige Bewässerung verschwendet.

Geleitet durch die Gründungsidee der constellr GmbH entwickelten die Forscher des Fraunhofer EMI, des Fraunhofer IOF sowie der Unternehmen constellr und Spaceoptix – beides Ausgründungen dieser Institute – die Infrarotkamera LisR, kurz für „Longwave infrared sensing demonstratoR“. Nach erfolgreicher Demonstration auf der internationalen Raumstation ISS sollen die Erkenntnisse der LisR-Mission als Grundlage für eine Satelliten-Konstellation genutzt werden –eine Satelliten-Konstellation, mit der sich künftig aus dem Orbit die Landoberflächentemperatur messen und die Bewässerung auf den tatsächlichen Bedarf abstimmen lässt.

Schon ab 2026 könnten sich auf diese Weise jährlich 180 Milliarden Tonnen Wasser und 94 Million Tonnen CO2 einsparen lassen, während die globale Ernte durch eine gezieltere Versorgung der Pflanzen um bis zu vier Prozent steigen könnte. Dies entspräche zusätzlicher Nahrung für über 350 Millionen Menschen. Für ihre Entwicklung des Technologie-Demonstrators LisR werden Clemens Horch vom Fraunhofer EMI, Henrik von Lukowicz vom Fraunhofer IOF, Cassi Welling von der constellr GmbH und Matthias Beier von der Spaceoptix GmbH mit dem Fraunhofer-Preis „Technik für den Menschen und seine Umwelt“ 2023 ausgezeichnet.

Doch wie ermöglicht es die Technologie, solche großen Mengen an Wasser und CO2 einzusparen? „Von einem Satelliten aus behält die Technologie die Erdoberfläche im Blick und detektiert die von dort ausgesandte Infrarotstrahlung – also die Wärmestrahlung“, erläutert Welling. „Während andere Lösungen lediglich die Land­oberflächen­temperatur modellieren, messen wir die Temperatur des Blätterdachs oder der Landoberfläche der Vegetation direkt. Auf diese Weise können wir eine genaue Bewertung von Wasserverfügbarkeit gegenüber Wasser­bedarf vornehmen und Stress früher als je zuvor erkennen.“ Über die Bewertung lässt sich damit auch auf den Bewässerungszustand der Pflanzen schließen: Sind die Pflanzen nicht ausreichend mit Wasser versorgt, verdunstet weniger Wasser über ihre Blätter – die Temperatur steigt. Die Wärme an bestimmten Stellen des Ackers kann Landwirten daher einen direkten Anhaltspunkt geben, wo Bewässerung nötig ist und wo nicht.

Elementar für die Entwicklung des Technologie-Demonstrators war das Zusammenspiel der verschiedenen Partner mit ihren sich ergänzenden Expertisen. Während das Fraunhofer IOF die kompakte und leicht zu integrierende Optik für das Kameramodul entwickelte, fertigte Spaceoptix die dafür nötige Freiform-Spiegeloptik in Nanometer-Präzision. Die Forscher des Fraunhofer EMI wiederum steuerten ein patentiertes Messverfahren bei, mit dem sich aus den Kameraaufnahmen die präzise Oberflächentemperatur bestimmen lässt. Die Missions­planung sowie die Auswertung der Daten übernahm die constellr GmbH.

Um die neue Technologie unter Realbedingungen zu testen, entwickelten die Forscher den Demonstrator. Im Frühjahr und Sommer 2022 wurde dieser auf der Internationalen Raumstation ISS erprobt – eine große Ehre. „Von der ISS aus konnten wir etwa zehn Millionen Bilder aufnehmen, mit einer Auflösung von rund achtzig Metern“, freut sich Horch. Aufbauend auf diesem Erfolg plant constellr, bis zum Jahr 2028 mit 16 Kleinsatelliten alle 24 Stunden die Temperatur der Landoberfläche überall auf der Erde mit täglicher Frequenz und einer Auflösung von mehr als fünfzig Metern präzise zu messen. So kann vom Weltraum aus die optimale Bewässerung von Agrarflächen unterstützt werden.

Fh.-Ges. / DE

 

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