20.11.2018

Wasserstoff aus Wasserkraft

Power-to-Gas-Leuchtturmprojekt am Hochrhein eingeweiht.

Wasserstoff aus Ökostrom kann die Mobilität klima­freundlicher machen und dort auch zu weniger Schadstoff­ausstoß führen. Er ist derzeit aber noch zu teuer. Eine Power-to-Gas-Anlage in Megawatt­größe im süd­deutschen Grenzach-Wyhlen soll nun den Weg ebnen, um die Kosten deutlich zu senken. Vergan­gene Woche wurde das Leuchtturm­projekt im Beisein von Baden-Würt­tembergs Wirtschafts­ministerin Nicole Hoffmeister-Kraut offiziell eingeweiht. Der Strom für den Wasserstoff stammt aus einem benach­barten Wasser­kraftwerk am Rhein. Das Zentrum für Sonnen­energie- und Wasser­stoff-Forschung Baden-Württemberg ZSW koor­diniert das Vorhaben. Betreiber der kommer­ziellen Anlage ist der Energie­versorger Energiedienst AG. Wirtschaft und Forschung beteiligen sich ebenfalls an diesem Projekt zur Zukunft der Mobilität. Noch im November soll im Rahmen von Testläufen die Wasserstoff­produktion starten.

Abb.: In dieser Pilotanlage wird mit dem Strom eines Laufwasserkraftwerks Wasserstoff erzeugt. (Bild: ZSW)

„Mit der Power-to-Gas-Anlage hier in Wyhlen ist ein Vorzeige­projekt für die Energiewende in Baden-Württem­berg entstanden. Für die Sichtbarkeit und Wirtschaft­lichkeit neuer Techno­logien ist eine Erprobung im realen Betrieb unver­zichtbar. Wir benötigen daher dringend Demonstra­toren wie hier in Grenzach-Wyhlen, die Power-to-Gas aus dem Labor­maßstab holen und den wirtschaft­lichen Betrieb dieser Tech­nologie zeigen“, betont Ministerin Hoffmeister-Kraut. „Mit Power-to-Gas bringen wir mehr Klimaschutz in den Mobilitäts­sektor und verringern den Ausstoß von Feinstaub und Stickstoff­oxiden“, sagt Frithjof Staiß, geschäfts­führendes Vorstands­mitglied des ZSW. „Am Wasser­kraftwerk Wyhlen können wir die nötige Kostensenkung nun im Industrie­maßstab optimal testen. Die Ergebnisse sollen der baden-württem­bergischen Wirtschaft zu Gute kommen und die Energiewende im Verkehr voran­treiben.“

Wirtschaft­licher werden soll die Wasserstoff­produktion vor allem durch drei Faktoren: Die Energie­dienst-Anlage bezieht den Ökostrom ohne Umweg über das Stromnetz direkt aus dem nur wenige Meter entfernten Laufwasser­kraftwerk Wyhlen. Somit entfallen Netz­entgelte und die EEG-Umlage. Da die Wasserkraft eine stetige erneuer­bare Energie­quelle ist, die bei praktisch jedem Wetter Energie liefert, lassen sich zudem die Volllast­stunden im Vergleich zu Power-to-Gas-Anlagen, die auf Wind- oder Sonnen­energie basieren, erhöhen. Das verbessert die Wirtschaft­lichkeit ebenfalls. Zusätzlich erprobt das ZSW in einer ange­schlossenen Forschungs­anlage neue Komponenten, um den Wasserstoff­preis weiter zu senken. Zum Einsatz kommen etwa effizientere Kata­lysatoren und günstigere Elektroden. Die Elektro­lyse zur Umwandlung des erneuer­baren Stroms macht mit rund vierzig Prozent den größten Kosten­anteil aus. Entsprechend hoch ist hier das Einspar­potenzial. Langfristiges Ziel der Forscher und Ingenieure ist es, die heutigen Produktions­kosten in etwa zu halbieren.

Die Power-to-Gas-Anlage besitzt eine elektrische Anschluss­leistung von einem Megawatt. Pro Tag kann sie rund 500 Kilogramm Wasser­stoff erzeugen. Genug für eine durch­schnittliche Tagesfahr­leistung von mehr als eintausend Brenn­stoffzellen-Autos. In der ange­schlossenen Forschungs­anlage erproben die Forscher effizienz- und kosten­optimierte Elektrolyse­blöcke mit derzeit bis zu 300 Kilowatt Leistung, die bis auf ein Megawatt erweiter­bar sind. Der Einsatz erfolgt unter realen Bedin­gungen: Der Strom kommt aus dem Wasser­kraftwerk, wird zu Wasserstoff umgewandelt und sodann, wie in der kommer­ziellen Anlage, in einen trans­portablen Tank eingefüllt und per Laster zum Zielort gebracht.

Die Forscher übernehmen das technische Moni­toring der gesamten Anlage. Die aus dem Betrieb sekündlich gewonnenen Daten sowie eine detail­lierte Analyse aller wesent­lichen Bauteile wie Elektrolyse­block, Verdichter und Gleich­richter sollen die Komponenten künftig weiter optimieren. Im Rahmen des Projekts erstellen die Wissen­schaftler auch einen Technologie­leitfaden für Power-to-Gas-Anlagen, der Verbesserungs­potenziale aufzeigen soll, um Wasserstoff noch effi­zienter und wirt­schaftlicher produzieren zu können. Geschäftsmodelle für die Ausge­staltung zukünftiger Produkte und Dienst­leistungen im Kontext Power-to-Gas sind ebenfalls Bestand­teil des Arbeits­programms.

Elf Partner sind mit an Bord, drei davon aus der Forschung: das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR, das Fraun­hofer-Institut für Solare Energie­systeme ISE und die DVGW-Forschungs­stelle am Engler-Bunte-Institut des Karlsruher Instituts für Techno­logie KIT. Hinzu kommen acht assoziierte Industrie­partner: die Energie­dienst AG, die Daimler-Tochter NuCellSys, der Zweck­verband RBB Böblingen, die Stadtwerke Sindelfingen, der Fern­leitungsnetz­betreiber terranets bw, der Elektrolyse­hersteller McPhy Deutschland, der Membran­produzent und Anlagenbauer Fumatech BWT sowie die Landes­agentur für neue Mobilitäts­lösungen und Automotive Baden-Würt­temberg (e-mobil bw).

Sie alle sind interessiert an der Weiter­entwicklung der Power-to-Gas-Techno­logie. Busse, Züge und Autos mit Brennstoff­zellen können mit erneuer­barem Wasserstoff kohlen­dioxidfrei unterwegs sein, und das auch auf Langstrecken. Es entstehen keine gesundheits­schädlichen Stickstoff­oxide, aus dem Auspuff kommt außerdem kein Feinstaub. Der Wasserstoff ist außerdem Ausgangsstoff für die synthe­tischen Kraftstoffe e-Methan und e-Diesel. Für deutsche Energie­versorger, Automobil­hersteller und Unternehmen aus dem Maschinen-, Kompo­nenten- und Anlagenbau bietet das Projekt am Rhein eine Chance, in dieser Technologie wettbewerbs­fähig zu bleiben.

ZSW / JOL

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