Weltfunkkonferenz setzt Radioastronomie auf die Agenda
Schutz insbesondere vor neuen Satellitenkonstellationen im Fokus mehrerer Studien.
Tausende Delegierte von Mitgliedstaaten der Internationalen Fernmeldeunion und Vertreter von Industrie und Wissenschaft trafen sich im November und Dezember vier Wochen lang in Dubai. Bei der Weltfunkkonferenz wurden wichtige Weichen für neue Funkanwendungen gestellt. Aber auch der Schutz der Radioastronomie, insbesondere vor den Auswirkungen von neuen Satellitenkonstellationen, stand im Fokus. Bis zur nächsten Funkkonferenz im Jahr 2027 sollen Studien zu diesem Thema durchgeführt werden. Das Ziel: verbesserte technische oder regulatorische Maßnahmen identifizieren, damit die Geheimnisse des Universums auch in Zukunft ergründet werden können.
„In Anbetracht der Tatsache, dass die Radioastronomie eine zentrale wissenschaftliche Disziplin ist, die eine entscheidende Rolle bei der Entschlüsselung der Geheimnisse des Kosmos spielt“ – mit diesen Worten beginnt eine neue Resolution der Internationalen Fernmeldeunion ITU, welche Mitte Dezember bei der Weltfunkkonferenz verabschiedet wurde. „Damit wird nun endlich ein Problem angegangen, welches die Radioastronomie durch die extrem gestiegene Zahl von Satelliten im erdnahen Weltraum bekommen hat“, sagt Benjamin Winkel vom MPI für Radioastronomie. Er und seine Kollegen arbeiten seit Jahren daran, dass die Regeln und Prozesse bei der Fernmeldeunion aktualisiert werden, um mit der geänderten Situation Schritt zu halten.
Weltfunkkonferenzen finden alle drei bis vier Jahre statt. Tausende Delegierte von Staaten, insbesondere der Telekommunikationsbehörden sowie anderen Interessengruppen aus Industrie, Wirtschaft und Wissenschaft treffen sich vier Wochen lang, um an den Radio-Regulierungen zu arbeiten. Das ist ein internationales Vertragswerk, welches das reibungslose Zusammenspiel aller Funkdienste regeln soll. Wenn beispielsweise neue Mobilfunkfrequenzen nutzbar gemacht werden sollen, dann müssen vorher Dutzende technische Studien angefertigt werden, damit geprüft werden kann, dass existierende Anwendungen nicht gestört werden.
Die Frequenzen, die „von der Natur zur Verfügung gestellt werden“ – das Radiospektrum – sind bereits restlos in Benutzung. Auch für die Radioastronomie wurden bestimmte Frequenzbereiche reserviert, um besonders wichtige Beobachtungsprojekte zu schützen. „Für die moderne Radioastronomie sind diese Frequenzen allerdings viel zu wenig“, betont Gyula Józsa vom MPI für Radioastronomie. „Deswegen werden neue Observatorien in sehr abgelegenen Gebieten der Erde errichtet, denn dort ist die Dichte aktiver Sendeanlagen natürlich geringer.“ Den neuen Satellitensystemen, wie etwa SpaceX/Starlink, OneWeb oder Amazon/Kuiper, entkommt man so allerdings nicht.
Aus europäischer Sicht betrifft dies insbesondere auch die beiden internationalen Leuchtturmprojekte ALMA mit Teleskopen in Chile und SKAO mit Teleskopen in Südafrika und Australien. Astronomische Institute und Organisationen weltweit investieren Milliarden in diese Observatorien. Für Südafrika und Chile haben diese Unternehmungen aber auch einen ganz besonderen entwicklungspolitischen Stellenwert. Sie sind Infrastrukturmaßnahmen, Bildungsstätten und Orte internationaler Zusammenarbeit in einem.
Dass die Bedürfnisse der Astronomen auf der Weltfunkkonferenz überhaupt behandelt wurden, war nur möglich, weil im Vorfeld der Konferenz zwei wichtige Regionalorganisationen das Thema zur Chefsache erklärt hatten. Zum einen die „European Conference of Postal and Telecommunication Administrations“ CEPT, welche die ohnehin schon existierenden Schutzkriterien für die Radioastronomie besser durchgesetzt sehen möchte. Zum anderen die „African Telecommunications Union“ (ATU), welche das Thema von speziellen radioberuhigten Zonen aufs internationale Parkett gebracht hat. Bei diesen Zonen handelt es sich um Gebiete, in denen terrestrische Funkanlagen in der Nähe der Observatorien eingeschränkt werden, um bessere Beobachtungsbedingungen zu schaffen. Diese sind allerdings rein nationale regulatorische Eingriffe und können nicht auf Satellitensysteme Einfluss nehmen, die internationalen Regeln unterworfen sind.
Die Weltfunkkonferenz in Dubai hat entschieden, beide Vorschläge zusammenzufassen und die Mitgliedstaaten aufgefordert, bis zur nächsten Konferenz im Jahr 2027 mögliche technische und regulatorische Lösungsansätze zu erarbeiten. „Das ist noch ein ordentliches Stück Arbeit für die beteiligten Radioastronomen“, sagt Józsa, der in Dubai die Arbeitsgruppe zu diesem Thema geleitet hatte. Und Winkel ergänzt: „Wir sind dennoch sehr zuversichtlich, denn mit unserer europäischen Spektrummanagement-Organisation CRAF und den Kollegen vom SKAO haben wir bereits viele notwendige Vorarbeiten geleistet.“
MPIfR / RK