Wenn Licht die Biege macht
Ein Zeitraffervideo demonstriert auf raffinierte Weise die langsame Durchmischung einer Salzwasser-Wasser-Lösung.
Ein bekanntes Experiment, das meist nur als Momentaufnahme gezeigt wird, demonstriert im Zeitraffer die zeitliche Veränderung von nichtgeradliniger Lichtausbreitung in Flüssigkeiten. Derart gekrümmte Lichtwege führen auf größeren Längenskalen von Kilometern zu den Phänomenen der Luftspiegelungen.
Ein kleines Wasserbecken (Länge 39 cm, Breite 10 cm, Höhe 20 cm) wird bis zu einer Höhe von 8 cm mit etwa drei Litern Leitungswasser bei 20 °C gefüllt. Parallel wird dieselbe Wassermenge außerhalb davon mit 450 g Kochsalz (NaCl) gemischt. Da der Brechungsindex von der Dichte abhängt, hat die entstehende gesättigte Salzlösung (Dichte: 1,1 g/cm3) eine Brechzahl (Realteil Brechungsindex) von etwa 1,36, während die des Leitungswassers nur 1,33 beträgt.
Das Salzwasser wird vorsichtig über einen Schlauch und ein Ventil dem Leitungswasser unterschichtet, wobei Turbulenzen vermieden werden sollten. Dadurch entsteht ein bei Raumtemperatur recht stabiles geschichtetes System von Leitungswasser über dem optisch dickeren schwereren Salzwasser.
Durch langsame Diffusionsprozesse werden sich die Wasserteile vermischen, sodass der vertikale Dichtegradient zu einem zeitlich veränderlichen Gradienten des Brechungsindex wird (Abbildung 1 links). Je nach Präparation können bis zur vollständigen Durchmischung einige Tage vergehen.
Sobald ein Lichtstrahl auf ein Material mit Brechungsindexgradienten trifft, führt dies zu einer Krümmung, also nichtgeradliniger Ausbreitung (Abbildung 1 rechts). Wegen der Umkehrbarkeit des Lichtwegs folgen wir dem Lichtstrahl zunächst von links nach rechts und nehmen eine feste Grenzschicht an. Aus dem optisch dickeren Salzwasser kommend fällt er auf das Leitungswasser mit kleinerem Brechungsindex, wird also vom Lot weggebrochen. Unterteilt man das Wasser vertikal in viele kleine dünne Schichten, so entsteht aus dem resultierenden Polygonzug ein gekrümmter Lichtstrahl. In Abbildung 1b endet der Lichtstrahl rechts nahezu horizontal. Würde das Becken rechts weitergehen, würde er wieder nach unten gebogen, weil der horizontale Strahl endlicher Ausdehnung den Gradienten über seinen Querschnitt spürt und daher gekrümmt wird.
Diffusion sorgt nun dafür, dass sich die beiden Flüssigkeiten vermischen. Das dauert verhältnismäßig lange, lässt sich aber in einem Zeitraffervideo wunderbar demosntrieren. Hierfür verwenden wir einen grünen HeNe-Laser. Fällt der Lichtstrahl in etwa horizontal von rechts ein, wird er in Richtung Boden des Gefäßes abgelenkt. Das Video zeigt die anschließende, langsame Veränderung. Die zu Beginn starke Krümmung scheint nach drei Tagen fast vollständig verschwunden: Der Laserstrahl verläuft nahezu geradlinig. Die Veränderung zeigt sich auch schön am Reflex des von der linken Wand zurückreflektierten Lichts. Zu Beginn triff es den Boden, 68 Stunden später aber die rechte Wand.
Auf größeren Skalen führen Lichtwege zu gespiegelten Abbildungen analog den Luftspiegelungen.
Michael Vollmer, Klaus-Peter Möllmann, TH Brandenburg
Dieser Artikel ist in etwas ausführlicherer Form in der aktuellen Ausgabe von Physik in unserer Zeit erschienen und steht bis zum Ende des Jahres zum freien Download zur Verfügung..