Wie KI Spektralaufnahmen auswertet
Neue Forschungsgruppe in Jena soll schnellere Diagnoseverfahren entwickeln.
Das Leibniz-Institut für Photonische Technologien in Jena IPHT setzt künftig verstärkt auf die Erforschung künstlicher Intelligenz und lernender Systeme. Die neu gegründete Forschungsabteilung „Photonic Data Science“ unter der Leitung von Thomas Bocklitz konzentriert sich ab diesen Monat auf die Auswertung von Bild- und Spektralaufnahmen mit chemometrischen Methoden und maschinellen Lernmethoden. KI-Technologien bilden die Grundlage für zahlreiche am Leibniz-IPHT erforschte schnelle Diagnoseverfahren auf dem Gebiet der optischen Gesundheitstechnologien.
Welches Antibiotikum braucht die Patientin mit der lebensbedrohlichen Infektion? Hat der Chirurg bei der Operation den gesamten Tumor entfernt? Und was für Pollen fliegen gerade durch die Luft? Um dies herauszufinden, kombinieren Forscher am Leibniz-IPHT optische Methoden mit künstlicher Intelligenz und lernenden Systemen. KI steckt etwa hinter dem kompakten Mikroskop Medicars für eine schnelle Krebsdiagnostik während einer Operation. Hier werden Muster und molekulare Details einer mit Laserlicht bestrahlten Gewebeprobe automatisch ausgewertet und in klassische Bilder der Standard-Diagnostik übersetzt. So werden Tumorränder sichtbar, und das Chirurgenteam kann entscheiden, wie viel Gewebe weggeschnitten werden muss
„Dazu trainieren wir KI-Algorithmen zusammen mit Pathologen“, sagt Leiter Thomas Bocklitz, der mit seiner Abteilung Photonic Data Science computergestützte Verfahren erforscht, um biomedizinische Informationen aus optischen Messdaten zu gewinnen. „Wir nehmen Multimodalbilder einer Gewebeprobe mit unserem laserbasierten Multimodalmikroskop auf. In der Pathologie wird der Gewebeschnitt dann eingebettet, gefärbt und ein Bild des HE-gefärbten Gewebeschnitts gemacht (HE = Hämatoxylin-Eosin). Auf diesem kann der Pathologe Tumorgewebe erkennen. Dann legen wir das Multimodal- und das HE-Bild nebeneinander.“
Ausgehend von der Analyse der Gewebestruktur- und -morphologie durch den Pathologen bringt das Forscherteam dem Algorithmus bei, welches Gewebe gesund und welches krank ist. „So lernt der Algorithmus in diesem überwachten Ansatz sukzessive, gesunde und kranke Bereiche zu unterscheiden.“ Mit Erfolg: Die Genauigkeit der Vorhersagen liegt nach Tests an einer kleinen Gruppe von Patienten bei mehr als neunzig Prozent.
Neben der Vorbehandlung von Datensätzen, um einen Trainingsdatensatz für die KI-basierte Auswertung von Bild- und Spektralaufnahmen aufzubauen – etwa indem fehlerhafte Sequenzen ausgesondert werden, arbeitet die Forschungsabteilung daran, eine Dateninfrastruktur für das gesamte Institut zu schaffen. „Wir wollen eine Datenbank aufbauen, in der wir alle Daten zusammenführen, die Forscher hier generieren“, so Bocklitz. Mit dieser Verknüpfung könnten Wissenschaftler nicht nur von der Forschung anderer profitieren. Es werde auch verhindert, dass Experimente, die nicht funktioniert haben und deshalb nicht publiziert wurden, immer wieder wiederholt werden. „Damit wird die Dateninfrastruktur eine zentrale Grundlage für unsere Forschung und für weitere KI-Anwendungen.“
IPHT / JOL