20.12.2016

Wie Megacities wuchern

Fernerkundung mit Satelliten verknüpft mit Human-Sensing-Daten zeigt neue Slum-Gebiete.

Zum ersten Mal wurden Daten aus der Satel­liten-Ferner­kundung mit sozialen Daten, dem Human Sensing, wissen­schaftlich verknüpft und für die Wachstumsanalyse einer Megacity genutzt. Miguel Rodriguez Lopez vom Centrum für Erdsystem­forschung und Nach­haltigkeit (CEN) der Universität Hamburg und sein Team unter­suchten das illegale Wachstum von Metro­polen am Beispiel von Mexico City. Menschen aus dem Umland siedeln sich in hohem Maße an den Rändern der Stadt an. Hier entstehen oft inoffi­zielle, nicht-geneh­migte Wohnviertel, die Slums. Deren Bewohner werden oft abseits offizieller Strukturen von Bandenchefs, Polizei und Lokal­politikern dirigiert und haben kaum Rechts­sicherheit. Fehlende Infra­struktur und Gewalt­konflikte erschweren die Situation.

Abb.: Wachsende Megacity: Fernerkundungsdaten über Siedlungen in Mexico City (rote Punkte) werden mit erfolgten Bürgerbeschwerden (schwarze Punkte) gekoppelt, um illegale Siedlungen zu identizieren. (Bild: UHH / CEN / Rodriguez, Heider)

Gleich­zeitig ist fort­schreitende Urbani­sierung ein großer Treiber für steigende CO2-Emissionen. Doch sind Größe und Ausbreitung von Slum­gebieten – ebenso wie andere illegale Land­nutzungen – schwer messbar und es gibt hier kaum belast­bare Zahlen. Diese sind jedoch Voraus­setzung für soziale und städte­bauliche Konzepte sowie für Klima­prognosen. Das Team um Rodriguez Lopez verwendet eine neue Methode, um die Hotspots der illegalen Urbani­sierung sicher zu identi­fizieren. Dazu ver­knüpften die Wissen­schaftler zwei ganz unter­schiedliche Daten­banken. Zunächst wurden Satelliten­bilder der südlichen Stadtgrenze von 2009 bis 2014 mit Hilfe eines Geo­informations­systems (GIS) ausgewertet. Bis zu einer Auflösung von fünf Metern wurden die Areale entweder als Natur oder als besiedelt eingestuft. Mexico City grenzt im Süden direkt an große Naturschutz­gebiete. Findet hier eine neue Besie­delung statt, ist sie in jedem Fall nicht genehmigt.

Zusätzlich zu den Remote-Sensing-Daten aus der Ferner­kundung wurden 18.000 Beschwerden von Bürgern ausgewertet, die Umwelt­verstöße wie zum Beispiel illegales Siedeln in Naturschutz­gebieten bei der Umwelt­behörde von Mexico City zur Anzeige brachten. Diese Human-Sensing-Daten aus dem Zeitraum von 2002 bis 2013 sind bei der Behörde online einsehbar. Alle Anzeigen sind geo-referenziert, das heißt, sie haben exakte Standort-Koor­dinaten. Damit gehören sie zur Gruppe der Volun­teered Geographic Information. Aus beiden Daten­sätzen konnten die Wissen­schaftler erstmals detail­lierte Karten erstellen, die in Kombi­nation noch exakter werden: Wo die Karten deckungs­gleich sind, befinden sich mit einer Wahrschein­lichkeit von 99 Prozent nicht-genehmigte Siedlungen. Ein leistungs­fähiges Instrument, mit dem sich die Neuent­stehung von Slum­gebieten sicher bestimmen lässt.

Das Forscher­team fand auch heraus, warum die Human-Sensing-Daten an einigen Stellen besonders exakt waren. Über­raschender­weise war nicht nur die Menge der einge­gangenen Anzeigen ausschlag­gebend für die Zuver­lässigkeit der Daten, sondern vielmehr die Arbeits­losenquote in den angren­zenden Stadt­gebieten. Entstand ein neuer Slum neben Gebieten mit hoher Arbeits­losigkeit, so wurde er kaum zur Anzeige gebracht. In den potenziell reicheren Vierteln mit hoher Beschäftigung wurden dagegen viele Siedlungs­delikte angezeigt. Die neuen Nachbarn waren weniger erwünscht.

Sogar Prognosen sind mit Hilfe der Human-Sensing-Daten möglich. So weisen die Beschwerden von Bürgern eindeutig darauf hin, wo die Stadt in Zukunft wachsen wird. Solche Informa­tionen sind wertvoll, um präventiv Konzepte zu entwickeln. Die neue Methode ist auf andere Mega­cities übertragbar und kann potenziell auch weitere Human-Sensing-Quellen nutzen, wie frei­willige Daten aus Google oder Twitter. Experten erwarten beispiels­weise in Asien und Afrika große Wanderungs­bewegungen in die Städte. Zusätzlich zu sozialen und recht­lichen Problemen, würde dies auch einen deut­lichen Anstieg von klima­relevanten Emissionen zur Folge haben. Um hier gegen­steuern zu können, müssen Entscheidungs­träger die Muster illegalen Städte­wachstums genau kennen.

UHH / JOL

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