Wie Moleküle zu zellulären Strukturen zusammenfinden
Selbstorganisation subzellulärer Strukturen steht im Fokus einer neuen Professur an der TU Dresden.
Selbstorganisierende Prozesse ermöglichen es Zellen, sich rasch an Veränderungen anzupassen. Um ihre Aufgaben zu erfüllen, bilden sie spezielle Strukturen, die vergleichbar sind mit Gebäuden in einer Stadt, die schnell auf- und abgebaut werden. Sie sind dazu in der Lage, weil sich diese Strukturen spontan aus der Art und Weise bilden, wie Moleküle miteinander interagieren. Der Physiker Jan Brugués hat nun an der TU Dresden die Professur für die Organisation subzellulärer Strukturen in Raum und Zeit am Zentrum für Molecular and Cellular Bioengineering inne und erforscht am Exzellenzcluster Physik des Lebens, wie die Biologie physikalische Prinzipien zur Selbstorganisation in der Zelle nutzt.
„Woher wissen die Bausteine in unseren Zellen, wie sie eine bestimmte Struktur aufbauen sollen?“, fragt Jan Brugués. „Dank der enormen Fortschritte der Molekularbiologie in den letzten Jahrzehnten haben wir heute eine Liste mit allen Bausteinen des Lebens. Dennoch verstehen wir immer noch nicht, wie sie sich zum Aufbau von Zellen und Geweben zusammenfügen. Meiner Meinung nach ist dies eine der größten Herausforderungen der modernen Biologie. In meinem Labor wollen wir einen Beitrag zur Beantwortung dieser Frage leisten, indem wir untersuchen, wie die Eigenschaften von Molekülen zu neuen biologischen Funktionen in größeren Maßstäben führen.“
Dahinter steht die Frage, wie Informationen über verschiedene Ebenen hinweg übertragen werden: von der DNA über Moleküle und subzelluläre Strukturen bis hin zum Körperplan eines Organismus. Um Antworten zu finden, muss die Forschungsgruppe auch neue Instrumente und Methoden zur Messung und Analyse von Daten entwickeln. Anschließend kombinieren sie diese Messungen mit zellbiologischen und theoretischen Ansätzen. „Letztendlich ist es unser Ziel, grundlegende biologische Fragen mit Hilfe der Physik zu beantworten, aber auch zur Entdeckung neuer Physik beizutragen." Brugués ist überzeugt, dass Dresden und insbesondere das Exzellenzcluster PoL das perfekte wissenschaftliche Umfeld bietet, um Biologie und Physik zusammenzuführen und seine Forschung zu ermöglichen.
Auch Otger Campàs, geschäftsführender Direktor und Sprecher von PoL, hebt die interdisziplinäre Wissenschaftsgemeinschaft in Dresden als besonders geeignet hervor, um Forschungsfragen zu beantworten, die Größenskalen und Fachdisziplinen überspannen. „Wir wollen die physikalischen Prinzipien lebender Systeme von Molekülen bis zu Organismen aufdecken. Professor Brugués ergänzt die aktuellen Forschungsstärken am PoL perfekt. Mit seiner Expertise bezüglich der Entdeckung physikalischer Prinzipien, die subzelluläre Strukturen steuern, schlägt er eine Brücke zwischen Molekülen und Zellen. Seine Forschung wird starke Synergieeffekte mit unserer langjährigen Arbeit zur Physik multizellulärer Systeme, biomolekularer Kondensate, synthetischer Biologie und darüber hinaus haben", sagt Campàs.
Jan Brugués erlangte 2004 den M. Sc. der Theoretischen Physik in seiner Heimatstadt Barcelona. Bis 2008 promovierte er an der Universität Barcelona und der École Supérieure de Physique et de Chimie Industrielles in Paris in Biologischer Physik. Als Postdoktorand des Human Frontier Science Program wechselte er an die Harvard University in Boston, USA, um mehr über experimentelle Methoden und biologische Systeme zu lernen. Seine eigene interdisziplinäre Forschungsgruppe folgte 2013 am Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik sowie am Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme in Dresden. Mitglied am Center for Systems Biology Dresden wurde er 2014. Neben anderen Auszeichnungen erhielt Jan Brugués ebenfalls 2014 den Career Development Award des Human Frontier Science Programs und 2022 einen ERC Consolidator Grant. Seit Dezember 2022 ist er Inhaber der W3-Professur für die Organisation subzellulärer Strukturen in Raum und Zeit am Exzellenzcluster Physik des Lebens der TU Dresden.
TU Dresden / DE