08.02.2023

Wind aus dem All erfassen

Der Windsatellit Aeolus zeigt eindrucksvolle Leistungen dank starkem Doppler-Wind-Lidar.

Der neue ESA-Satellit Aeolus misst die Windgeschwindigkeit auch noch zuverlässig in höheren Luftschichten und damit in einer Region der Atmosphäre, wo kaum andere globale Wind­messungen zur Verfügung stehen. Das geht aus einer Studie hervor, für die Daten des Satelliten mit Wind­messungen von Stratosphären­ballons verglichen wurden. Stratosphären­ballons liefern besonders genaue Daten zur horizontalen Wind­geschwindigkeit und sind deshalb auch zur Überprüfung künftiger Satelliten­missionen geeignet.

 

Abb.: Eine jetzt veröffentlichte Studie nutzte zum Vergleich Daten von 229...
Abb.: Eine jetzt veröffentlichte Studie nutzte zum Vergleich Daten von 229 Strato­sphären­ballons des Loon-Projekts zwischen Juli 2019 und Dezember 2020 aus dem tropischen Latein­amerika, Atlantischem Ozean, Afrika und Indischem Ozean. (Bild: S. Bley, TROPOS / QJRMS CC BY 4.0)

Künftige Windsatelliten sollten die vertikale Auflösung erhöhen, um besser die Schwerewellen in den Tropen zu berücksichtigen, so das Team des Leibniz-Instituts für Troposphären­forschung (Tropos), der Europäischen Weltraumagentur (ESA), des Europäischen Zentrum für mittelfristige Wetter­vorhersage (ECMWF), der Universität Hamburg und des Google-Unternehmens Loon.

Die Qualität von numerischen Wettermodellen und damit der Wettervorhersage hängt stark von den zur Verfügung stehenden Daten ab. In den letzten Jahrzehnten wurde deshalb ein globales Beobachtungssystem aufgebaut, das auch Windprofile durch Wetterballons, Flugzeugdaten oder Windprofiler-Radarsysteme enthält. Diese Daten stammen jedoch größtenteils aus der dicht besiedelten Nordhemisphäre. In der Südhemisphäre, über den Ozeanen und vor allem in den Tropen ist das Messnetz dagegen immer noch deutlich dünner.

Ein großer Schritt hin zu flächendeckenden Winddaten war deshalb der Start des ersten Windsatelliten Aeolus der Europäischen Weltraum­agentur (ESA) am 22. August 2018. Dieser neuartige Satellit hat mit dem Atmospheric Laser Doppler Instrument (Aladin) einen starken Laser an Bord. Aladin ist das erste Doppler-Wind-Lidar im Weltraum, das Profile der horizontalen Wind­geschwindigkeit von der Erdoberfläche oder vom Oberrand dicker Wolken bis zu einer Höhe von etwa 30 km auf globaler Ebene liefert. Dazu sendet der Satellit beim Umlauf um die Erde kurze ultraviolette Laserimpulse aus. Ein kleiner Teil dieser Lichtpulse wird von Luftmolekülen, Aerosolen und Wolken zurück zum Satelliten gestreut und dort im Detektor gesammelt und verarbeitet. Für eine Umrundung der Erde benötigt Aeolus neunzig Minuten, innerhalb einer Woche erfasst der Satellit so Winddaten um die ganze Erde. Diese Daten werden von Wetter­vorhersage­zentren aus der ganzen Welt assimiliert, um ihre Vorhersagen zu verbessern. Da es bisher keine vergleichbaren Satelliten­missionen gab, werden die Daten besonders kritisch überprüft und mit anderen Windmessungen verglichen.

Eine jetzt veröffentlichte Studie nutzte zum Vergleich Daten von 229 Stratosphären­ballons des Loon-Projekts zwischen Juli 2019 und Dezember 2020 aus dem tropischen Lateinamerika, Atlantischem Ozean, Afrika und Indischem Ozean. Loon war ein kommerzielles Projekt, das abgelegene Regionen mit einem Internetzugang über Heliumballons in der Stratosphäre versorgt hatte. Die Ballons mit einem Durchmesser von etwa 12 Metern fungierten dabei als schwebende Mobil­funkstation in Höhen von 16 bis 20 Kilometern über dem Erdboden. Damit das Netz funktioniert, mussten sie die Windrichtung durch Ändern der Höhe automatisch korrigieren. Dadurch entstand ein umfangreicher Datensatz zu den Windgeschwindigkeiten in diesen Atmosphären­schichten, welcher einen Teil der Lücke an Winddaten in dieser Höhe im globalen Beobachtungs­system schließt. Das Loon-Projekt wurde 2021 aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt, für die Atmosphären­forschung jedoch bleibt ein höchst interessanter Datensatz zurück.

„Unsere Analyse bestätigt, dass der Satellit Aeolus in der oberen Troposphäre und unteren Stratosphäre nahezu fehlerfreie Windmessungen liefert. Das aktuelle Wettermodell des ECWMF unterschätzt dagegen die Windgeschwindigkeit dort systematisch um zirka einen Meter pro Sekunde, was durch die Daten von Aeolus und Loon nachgewiesen werden konnte. Diese Ergebnisse sind wichtig, um dynamische Prozesse in der oberen Troposphäre und unteren Stratosphäre besser zu verstehen und um die Wettermodelle weiter zu verbessern“, unterstreicht Sebastian Bley vom Tropos, der für die Studie bei der ESA im italienischen Frascati gearbeitet hat.

Eine weitere Empfehlung der Forscher ist es, mehr vertikale Messungen durchzuführen, um mehr Windinformationen in den atmosphärischen Schichten liefern zu können. Das könnte die Genauigkeit kommender Windsatelliten weiter verbessern. Neben der Wind­geschwindigkeit liefert Aeolus auch Informationen über Aerosole und Wolken, allerdings nur über einen Teil des zurück­gestreuten Lichts. „Wir hoffen, dass von künftigen Wind­missionen auch die Depolarisation gemessen werden kann, also die Drehung des Lichts bei Reflexion. Das wäre ein Meilenstein, weil der Satellit dann auch mehr Informationen über Aerosole liefern könnte“, erklärt Bley.

Aeolus wurde als Explorer-Mission mit einer erwarteten Lebenszeit von drei Jahren entwickelt, um die Technologie eines Doppler-Wind-Lidars im All zu testen. Die Erwartungen wurden jedoch übertroffen, Aeolus liefert nun seit bereits über vier Jahren wertvolle Daten. Die Winddaten werden inzwischen in den Wettervorhersagen von mehreren Wetterdiensten in ganz Europa wie dem Deutschen Wetterdienst (DWD) genutzt und konnten durch ihren positiven Einfluss auf die Wetter­vorhersage­qualität überzeugen. Das weitere Vorgehen für die Nachfolgemission Aeolus-2 wurde kürzlich auf der ESA-Minister­konferenz beschlossen und wird von ESA und EUMETSAT gemeinsam entwickelt.

Im September hatten Forscher aus den USA probehalber Aeolus-Daten in das Hurrikane-Modell (HWRF) der US-Wetter- und Ozeanografiebehörde NOAA integriert, um tropische Stürme besser vorherzusagen. Ihr Fazit: Die Nutzung von Aeolus-Winddaten sei dort am wirksamsten, wo es keine Aufklärungs­flüge in die Hurrikane gibt. Es könnte deshalb große positive Auswirkungen auf die Vorhersage tropischer Wirbelstürme im Pazifik und im Indischen Ozean haben. Mit diesen beiden neuen Studien aus den Tropen steigen die Chancen, dass Aeolus-Daten auch außerhalb von Europa genutzt werden und eine Nachfolgemission die Wetter­vorhersagen verbessern könnte.

Tropos / DE

 

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