Windeln schneller recyceln mit Licht
UV-Licht bricht Ketten, die Polymere in Saugeinlagen miteinander verbinden.
Mehr als hunderttausend Tonnen Einmalwindeln werden in Deutschland jährlich weggeworfen. Damit landen riesige Mengen wertvoller Rohstoffe im Müll, unter anderem die Saugeinlagen. Ihr Kern besteht aus speziellen Polymeren namens Superabsorber. Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie haben jetzt das aufwändige Recycling dieser Superabsorber deutlich verbessert. Mithilfe von UV-Strahlen lösen sie ohne Chemikalien und bei Raumtemperatur zweihundertmal schneller als bisher die chemischen Ketten auf, welche die Polymere zusammenhalten. Die aufgelösten Polymere können zu neuen Kleb- und Farbstoffen verarbeitet werden.
Superabsorber findet man nicht nur in Windeln, sondern in zahlreichen weiteren Hygiene- und Medizinprodukten wie Binden oder Verbandsmaterial. Wer ihren chemischen Kern wiederverwenden wollte, musste bisher starke Säuren einsetzen, denn das saugfähige Material besteht aus Natriumpolyacrylat. Diese vernetzten Polymere sind wasserunlöslich und lassen sich auch bei hoher Temperatur nicht einschmelzen – sie zersetzen sich nur. Die Säuren konnten die Ketten, welche die Polymere stabil machen, jedoch bei 80 Grad Celsius und nach etwa 16 Stunden schneiden und somit ein Recyceln ermöglichen. Das Verfahren ist aber aufwändig und teuer, die Wiederverwendung von Superabsorbern daher selten. Jährlich landen rund zwei Millionen Tonnen davon im Müll oder werden verbrannt.
Dass sich die vernetzten Polymere aus Natriumpolyacrylat nach der Aufnahme von Wasser unter UV-Licht auflösen, haben nun Forscher vom Karlsruher Institut für Technologie herausgefunden. „Die Ketten, welche die Polymere miteinander verbinden, werden vom Licht gebrochen und sind dann so lose, dass sie im Wasser schwimmen und zu Flüssigfasern werden“, erklärt Pavel Levkin vom KIT. Dafür schnitten die Forscher die Saugeinlage aus herkömmlichen Windeln heraus, befeuchteten sie mit Wasser und belichteten sie dann mit einer 1000-Watt-Lampe. Bereits nach fünf Minuten wurde aus dem festen Material ein flüssiges, das in einen Auffangbehälter tropfte. „Somit ist dieses Verfahren mit UV-Licht etwa zweihundertmal schneller als mit Säuren“, sagt Levkin.
Die flüssige Rohchemikalie verarbeitete das Team dann mit bekannten Verfahren zu neuen Kleb- und Farbstoffen weiter. „Wichtig war die Beobachtung, dass die Substanz löslich und verarbeitbar ist. Daraus kann man sicherlich noch viel mehr machen“, erklärt der Wissenschaftler.
Für die Tests wurden saubere Windeln benutzt. In der Praxis ist es aber möglich, Superabsorber aus verschmutzten Materialien herauszufiltern. „Einer realitätsnahen Anwendung steht daher nichts im Weg“, so Levkin. Außerdem könne man das Recyclingverfahren mit Solarstrom kostenneutral und ökologisch optimiere. „Wir haben eine zukunftsweisende Strategie zur Wiederverwendung von Superabsorbern gefunden. Das könnte die Umweltverschmutzung signifikant reduzieren und zu einem nachhaltigeren Umgang mit Polymeren beitragen.“
KIT / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
S. Li et al.: Diapers to Thickeners and Pressure-Sensitive Adhesives: Recycling of Superabsorbers via UV Degradation, ACS Appl. Mater. Interfaces 15, 44186 (2023); DOI: 10.1021/acsami.3c06999 - Institut für biologische und chemische Systeme, Karlsruher Institut für Technologie