Wirbelschleppen ausbremsen
Spezielle Platten an Flughäfen erzeugen Sekundärwirbel, die Wirbelschleppen schnell zerfallen lassen.
Rund zehn Kilometer Sicherheitsabstand müssen kleine und mittlere Flugzeuge derzeit zu vorausfliegenden schwereren Maschinen einhalten. Der Grund sind Wirbelschleppen, die hinter einem Flugzeug entstehen und eine potenzielle Gefahr für nachfolgende Flugzeuge darstellen. Insbesondere beim Landeanflug, kurz vor dem Aufsetzen, häufen sich Einflüge in diese Luftverwirbelungen, da die Wirbel in Bodennähe wieder aufsteigen und genau im Flugpfad des nachfolgenden Flugzeuges verharren können.
Um Wirbelschleppen im Anflugbereich abzuschwächen, hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) eine neuartige Methode entwickelt und mit Austro Control zusammen erfolgreich am Flughafen Wien getestet. Die Ergebnisse zeigen, dass „Plate Lines“ die Lebensdauer von Wirbelschleppen deutlich verringern. Sie können die Sicherheit bei Landungen weiter erhöhen sowie die Effizienz künftig steigern.
Für einen realitätsnahen Einsatz führte das Projektteam 2019 eine siebenmonatige Testkampagne am internationalen Flughafen Wien durch. Vor der Landebahn errichteten sie dazu eine Reihe von rund neun Meter langen und viereinhalb Meter hohen Platten. An den Platten entstehen Sekundärwirbel, die die Wirbelschleppen deutlich schneller zerfallen lassen.
Die Auswertung der umfangreichen Messungen ist nun abgeschlossen und belegt: Die Lebensdauer von Wirbelschleppen wird in Bodennähe für mittelgroße Flugzeuge um 22 Prozent reduziert. Bei großen Flugzeugen beträgt die Reduktion sogar bis zu 37 Prozent. „Dieser Befund ist auf den ersten Blick überraschend, rührt aber daher, dass bei größeren Flugzeugen größere Wirbel entstehen und diese früher in Kontakt mit den Platten kommen“, erklärt Frank Holzäpfel vom DLR-Institut für Physik der Atmosphäre in Oberpfaffenhofen. Bei einer typischen Anordnung – ein mittelgroßer Flieger hinter einem großen Wirbelverzeuger – halbieren Plate Lines somit die Stärke der Wirbelschleppen.
„Die Plate Lines sind eine bahnbrechende und kostengünstige Innovation, um die Sicherheit weiter zu erhöhen und auch Landekapazitäten zu optimieren. Gleichzeitig können dadurch etwa Warteschleifen vermieden werden und Emissionen im Flugverkehr reduziert werden“, betont Christian Kern, Leiter Air Traffic Management Austro Control.
Die Staffelung, das heißt der Sicherheitsabstand für Flugzeuge bei Start und Landung, ist ein wesentlicher Faktor für die maximale Kapazität eines Flughafens. Die Forscher untersuchten daher auch Ansätze, wie der beschleunigte Wirbelzerfall die Flugzeugstaffelung optimieren kann. Prinzipiell ist dies durch eine geschickte Kombination mit existierenden oder zukünftigen Staffelungsmethoden möglich.
Schon in naher Zukunft könnten Plate Lines mit dem Verfahren RECAT-EU-PWS (Optimised Wake Turbulence Re-Categorisation and Pair-Wise Separation Minima) kombiniert werden, das voraussichtlich noch in diesem Jahr durch die Europäische Agentur für Flugsicherheit freigegeben wird. Das neue Verfahren wird Flugzeugabstände zwischen individuellen Flugzeugtypen neu justieren und dadurch zusätzliche Landungen pro Stunde ermöglichen. Ein Nachteil ist, dass sich dadurch die Häufigkeit von wenig gefährlichen, aber dennoch unerwünschten Begegnungen mit Wirbelschleppen erhöht. Mit Plate Lines könnte diese Effekt vermieden werden, sodass sich Sicherheit wie auch Taktzahl von Landeanflügen erhöhen würde.
Am Standort Rauchenwarth nahe Wien befindet sich seit Januar 2023 ein Prototyp einer Plate-Line-Platte, der bereit zur dauerhaften Installation an einem Flughafen ist. Die Konstruktion muss einerseits schwerste Unwetter überstehen und andererseits leicht zerbrechlich sein, falls ein Flugzeug eine Platte touchiert. Diese entgegengesetzten Anforderungen lösten die Forscher, indem sie für Flughäfen zertifizierte Aluminium-Masten der Firma Lattix mit Aluminium-Paneelen kombinierten. Bei einem Aufprall eines Flugzeuges würden die Paneele die Konstruktion nicht versteifen, sondern zu Boden fallen.
Aufbauten an einem Flughafen unterliegen ferner einer Vielzahl strenger Auflagen. Die notwendigen Unterlagen für die Plate Lines wurden durch externe Gutachter geprüft und liegen den Behörden für kommende Installationen vor. „Dass ein Prototyp realisiert wurde, ist Verdienst eines Projektteams, das die ambitionierten Ziele mit höchstem persönlichem Engagement und enormem Durchhaltevermögen angestrebt hat. Es freut mich, dass Austro Control hier federführend beteiligt war“, fasst Christian Kern zusammen.
Auch Frank Holzäpfel ist stolz auf den erfolgreichen Weg: „In Plate Lines stecken über zehn Jahre Forschung. Ich bin glücklich, dass wir gemeinsam mit Austro Control die Entwicklung für den Regelbetrieb nun wesentlich vorangebracht haben. Der nächste Schritt wäre nun die Installation einer kompletten Plate Line an einem großen Flughafen, zum Beispiel gemeinsam mit dem Verfahren RECAT-EU-PWS.“
DLR / DE