10.08.2022 • GeophysikAstronomie

Zeitkapseln aus der Frühzeit der Erde

Gesteinskerne aus dem ältesten, gut erhaltenen Sedimentgestein unseres Planeten.

Ein internationales Forscherteam unter Leitung von Christoph Heubeck von der Uni Jena führte in Südafrika Bohrungen durch, mit deren Hilfe sich viele Fragen aus der Frühzeit unseres Planeten beantworten lassen. Das Besondere an den dabei gewonnenen Bohrkernen ist ihr Alter: Sie stammen aus dem „Barberton Grünstein­gürtel“ nahe Südafrikas Grenze zu Eswatini und lassen sich auf etwa 3,2 Milliarden Jahre datieren. „Diese Bohrkerne sind Zeitkapseln, in denen Informationen aus der Frühzeit der Erde gespeichert sind“, sagt Heubeck. Die Bohrungen begannen, zeitweilig mit drei Bohrgeräten gleichzeitig, im November 2021. Ende Juli ist die Bohrkampagne des Projekts BASE – Barberton Archean Surface Environments – mit der letzten von insgesamt acht Bohrungen abgeschlossen worden. Ab September werden 3131 Meter Kernmaterial durch ein inter­nationales Team unter Heubecks Leitung wissen­schaftlich detailliert ausgewertet.

Abb.: Die Bohrcrew setzt ein Instru­ment am Ende des Bohr­ge­stänges ein,...
Abb.: Die Bohrcrew setzt ein Instru­ment am Ende des Bohr­ge­stänges ein, welches die Orien­tie­rung der Ge­steins­schichten in etwa zwe­ihun­dert Metern Tiefe misst. (Bild: C. Heu­beck, FSU Jena)

„Diese Gesteinsfolgen repräsentieren eine extrem hoch­auf­lösende Aufzeichnung eines kurzen Abschnitts der frühesten Erdgeschichte“, sagt Heubeck. Die Ablagerungs­rate der Sedimente schätzt er auf etwa einen Meter pro tausend Jahre, vergleichbar mit Ablagerungs­raten an vielen heutigen Küsten. Aus den Bohrkernen lässt sich eine Vielzahl von Informationen gewinnen, beispiels­weise über die Mond­umlauf­bahn, Tiden, Vulkanismus, UV-Strahlung, Meteoriten­einschläge, Temperatur der Ozeane und Atmosphäre sowie die Intensität chemischer Verwitterung.

Ein Hauptziel der Bohrungen waren fossile mikro­bielle Matten, die auf küsten­nahen Sanden und Geröll­flächen weit verbreitet waren und gelegentlich aus­trockneten. Wie konnte sich Leben in dieser heraus­fordernden, hoch­energe­tischen Umgebung halten und ausbreiten? Eine Antwort auf diese Frage erlaubt auch Rückschlüsse auf die Frage nach Leben auf anderen Planeten. Auch deshalb hat sich die NASA an den Kosten des Projekts beteiligt.

Um die Bohrkerne zu gewinnen, fraß sich ein Diamant­kern­bohrer ins Gestein. Weil die Gesteins­schichten stark verfaltet sind und die Schichten senkrecht stehen, bohrte sich der Kernmeißel in einem Winkel von 45 Grad bis in eine Tiefe von etwa drei­hundert Metern in das Gestein, oft von älteren in jüngere Gesteins­schichten. „Pro Tag wurden etwa zwanzig bis vierzig Meter Kerne gezogen“, so Heubeck.

Diese werden markiert, in Längs­richtung zersägt, fotografiert und beschrieben. Eine Hälfte verbleibt im nationalen Kernlager Südafrikas, als „Bibliothek des Untergrunds“, die andere Hälfte wird in das Kernlager des ICDP-Konsortiums nach Berlin-Spandau verschifft. Dort werden sie nochmals detailliert dokumentiert und nach einem Beprobungs-Workshop den beteiligten Forschungs­einrichtungen zur Verfügung gestellt.

Schon jetzt kann Heubeck erste Erkenntnisse an den Bohrkernen ablesen. So zeigen etwa Gezeiten­ablagerungen, dass die Entfernung zwischen Erde und Mond viel geringer war als heute. Der Mond kreiste also näher und schneller um die Erde, zugleich rotierte die Erde schneller. Als schwarze Streifen finden sich zudem Lagen mikro­bieller Matten, die im Flachwasser wuchsen. Ungestört von heutigen tierischen Fressfeinden wie Würmern oder Schnecken betrieben sie Fotosynthese. Dabei entstand als Abfallprodukt Sauerstoff, der für höher­ent­wickeltes Leben unabdingbare Voraus­setzung ist. Es sei erstaunlich, in welcher – für uns – lebens­feindlichen Umgebung diese Mikroben­matten gediehen, so Heubeck. Der Forscher erwartet zahlreiche weitere Entdeckungen aus den Bohrkernen, deren Auswertung die nächsten Jahre in Anspruch nehmen wird.

FSU / RK

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