Zukunft seit 200 Jahren
Ein Festakt war der Höhepunkt zu den Feierlichkeiten des 200-jährigen Bestehens des Physikalischen Vereins.
Maike Pfalz
Im Jahr 1814 ging Johann Wolfgang von Goethe hart mit seiner Heimatstadt Frankfurt ins Gericht: Das chemische Laboratorium sei unbrauchbar, die Medizinschule verarmt und die Physik sei in Frankfurt noch gar nicht angekommen. Dies nahmen sich einige Frankfurter Bürger zu Herzen und gründeten am 24. Oktober 1824 den Physikalischen Verein. In der Satzung schrieben die Gründer: „Um sich gegenseitig zu belehren, um Kenntnisse in der Physik und Chemie allgemeiner zu verbreiten, und diese Wissenschaften selbst so viel als möglich zu fördern und zu bereichern, sind mehrere Freunde derselben zur Bildung eines Physikalischen Vereins zusammengetreten.“ Ein Festakt im Römer markierte gestern Abend den Höhepunkt eines Jubiläumsjahres voller Veranstaltungen, die das Engagement des Vereins für die naturwissenschaftliche Bildung und Forschung unterstrichen haben. Bei dem Festakt blickten zahlreiche Gäste aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft auf nunmehr 200 Jahre Vereinsgeschichte zurück.
In Frankfurt ist der Physikalische Verein fest verankert: Ab den 1830er-Jahren förderte die Stadt Frankfurt den Verein finanziell und verlangte dafür verschiedene Gegenleistungen. So mussten etwa Dozenten des Vereins an den Frankfurter Schulen Physik und Chemie unterrichten, neue Erfindungen aus Frankfurter Fabriken begutachten oder die Zeit genauer messen, um die Turmuhren der Stadt zu regulieren. Hier half die Astronomie, da es die genaue Kenntnis der Sonnenbahn erlaubt, die lokale Zeit zu bestimmen. Zu diesem Zweck errichtete der Verein 1838 auf dem Turm der Frankfurter Paulskirche seine erste Sternwarte und läutete täglich um 12 Uhr mittags eine Signalglocke, mit der sich die Turmuhren der Stadt synchronisieren ließen.
Festakt im Kaisersaal
Das Goldene Zeitalter des Vereins begann 1888 nach dem Bezug des ersten eigenen Gebäudes, das Frankfurter Industrielle mit ihren Spenden finanziert hatten. In den folgenden Jahren bildeten sich im Verein verschiedene Institute, die schon zwanzig Jahre später ein größeres Gebäude notwendig machten. So bezog der Physikalische Verein 1908 das Arthur-von-Weinberg-Haus, in dem auch seine erste eigene Sternwarte entstand. 1914 war der Physikalische Verein bei der Gründung der Goethe-Universität einer der Stifter und legte mit acht seiner Institute den Grundstein für den Fachbereich Physik.
„Frankfurt am Main ist mehr als eine Bankenmetropole. Unsere Stadt war, ist und bleibt immer auch ein Zentrum der Wissenschaft, Kultur und der Bildung“, betonte Stadtrat Bernd Heidenreich in seinem Grußwort. In diesem Zusammenhang spielt der Physikalische Verein natürlich eine wichtige Rolle, da er seit seiner Gründung das Ziel verfolgt, wissenschaftliche Erkenntnisse in Frankfurt zu verbreiten und fördern.
Heute hat der Physikalische Verein 2000 Mitglieder, von denen 34 Prozent weiblich sind. Thematisch ist er breit aufgestellt: Mit der Hans-Ludwig-Neumann-Sternwarte auf dem Kleinen Feldberg und der Veranstaltungsreihe „Astronomie am Freitag“ gibt es zwar weiterhin einen Schwerpunkt in der Astronomie. Aber das Veranstaltungsprogramm ist weit gefächert: Zu den jährlich über 200 Veranstaltungen zählen etwa ein großer Science Slam oder auch die Nacht der Museen. Viele Vorträge werden live gestreamt und erreichen damit ein breites Publikum auch über den Frankfurter Raum hinaus.
Ein wichtiger Fokus liegt auf der Nachwuchsförderung. So gibt es spezielle Vorlesungen für Schülerinnen und Schüler und eine eigene Jugendabteilung des Astro-Clubs, die sich jeden Montag trifft. „Die Förderung von Bildung und Interesse an der Physik ist entscheidend, um zukünftige Generationen auf die komplexen Aufgaben vorzubereiten, vor denen unsere Gesellschaft steht“, ist Dorothée Weber-Bruls, Präsidentin des Physikalischen Vereins, überzeugt.
„Zukunft seit 1824“ lautet das Motto des Vereins. Was die Zukunft an Entdeckungen bringen wird, lässt sich nicht vorhersagen. Doch mit seinen Preisen, der eigenen amateurastronomischen und professionellen Forschung möchte der Physikalische Verein an diesen Entdeckungen mitwirken und in seinen Veranstaltungen darüber berichten. „Die heutigen komplexen Herausforderungen, wie Klimawandel, Energiewende und Digitalisierung, erfordern nicht nur eine enge Zusammenarbeit aller Forschenden und den Austausch von Ideen, um Lösungen zu finden. Die Wissenschaft ist als Ganzes gefordert, ihre Arbeitsweise gegenüber der Öffentlichkeit offenzulegen, Forschungsergebnisse zu kommunizieren und Vertrauen zu schaffen. Hier wirkt der Physikalische Verein auch in den kommenden Jahren mit“, ist Dorothée Weber-Bruls überzeugt.
Meist gelesen
Aus dem Bahnhof in die Ausstellung
Die „Highlights der Physik“ fanden im Herzen Hannovers statt.
Viel Bewegung in der Rangliste
Erstmals erreichen zwei deutsche Universitäten die Top 30 beim THE Ranking im Fachgebiet „Physik und Astronomie“.
Ein Rückblick mit Ausblick
Mit einem Festakt und einem „Tag der Offenen Tür“ feierte das Institut für Kernphysik der Technischen Universität Darmstadt 60 Jahre Elektronenbeschleunigung.
Wie weit ist die Kernfusionsforschung?
Neuer Report über den Status quo von den deutschen Wissenschaftsakademien.
Tote Fische schwimmen (fast) besser
Am Massachusetts Institute of Technology wurden die diesjährigen Ig Nobel Prizes verliehen.