20.11.2018

Zwanzig Jahre ISS

Am 20. November 1998 brachte eine russische Proton-Rakete das erste ISS-Element in die Erdumlaufbahn.

Heute vor zwanzig Jahren, am 20. November 1998, hob eine russische Proton-Rakete vom Kosmodrom in Baikonur ab und brachte mit dem Sarja-Modul das erste Element der Inter­nationalen Raum­station ISS in die Erdumlaufbahn. 16 Tage später, am 6. Dezember 1998 verband die Besatzung des Space Shuttles Endeavour das russische Sarja-Modul mit dem US-ameri­kanischen Unity-Modul. Das Andockmanöver bedeutete weit mehr als eine beein­druckende technische Leistung. Es war der sichtbare Anfang des größten Kooperations­projektes der Menschheit im All. Erstmals kam eine dauerhafte inter­nationale Zusammen­arbeit zwischen Russland, den USA, Europa, Kanada und Japan im Weltraum zustande. Deutschland ist über die Euro­päische Weltraum­organisation ESA mit etwa 37 Prozent am Betrieb und mit rund 45 Prozent an der Wissen­schaft auf der ISS beteiligt und damit der wichtigste Partner der ISS in Europa. Die deutsche Raumfahrt­agentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR in Bonn koordiniert und managt diese Beiträge an die ESA und das DLR war und ist auch als Forschungs­zentrum an zahl­reichen Experi­menten auf der Raumstation beteiligt.

Abb.: Die Internationale Raumstation ISS besteht heute aus sechs Forschungslaboren, zwei Wohneinheiten, einer Beobachtungskuppel, etlichen Stauräumen, Verbindungsknoten, Andockvorrichtungen und Roboterarmen. (Bild: Roskosmos / NASA)

Schon der Start der Proton-Rakete mit dem Sarja-Modul an Bord gilt als historisch, markiert er doch nicht nur den Transport des ersten ISS-Elements in die Erdum­laufbahn, sondern auch den Beginn der inten­sivsten Flugphase in der Geschichte der Raumfahrt. Seither hat die Raumstation zu vielen Umschrei­bungen inspiriert. Immer wieder genannt wird: Die ISS ist unser Außenposten im Weltall. Sie steht für die Überwindung des Kalten Krieges und die fried­liche Koopera­tion im All zum Wohle aller. „Und sie ist eine ideale Test­umgebung für neue Techno­logien und wissen­schaftlichen Disziplinen und ein einzig­artiges Labor für Experimente, die in keiner wissen­schaftlichen Einrichtung auf der Erde durchg­eführt werden können“, sagt Volker Schmid, Leiter der Fachgruppe ISS in der deutschen Raumfahrt­agentur im DLR.

In den Jahren bis 2012 kamen zahlreiche weitere Module und Bauelemente hinzu. Die mit russischen Träger­raketen oder dem ameri­kanischen Space Shuttle trans­portierten Bauteile haben die ISS in 32 Ausbaustufen zu einer weit verzweigten Forschungsstation anwachsen lassen. 42 Flüge waren notwendig, um die Module und großen Kompo­nenten in die Umlaufbahn zu trans­portieren. Wog der erste ISS-Baustein, das 12,60 Meter lange Sarja-Modul, gut zwanzig Tonnen, bringt die ISS aktuell eine Gesamt­masse von rund 420 Tonnen auf die Waage. Die Raumstation besteht heute aus sechs Forschungs­laboren, zwei Wohn­einheiten, einer Beobachtungs­kuppel, etlichen Stauräumen, Verbindungs­knoten, Andock­vorrichtungen und Roboter­armen. Ihre Bewohner haben mit rund eintausend Kubikmetern in etwa so viel Platz zum Leben und Arbeiten wie in einer Boeing 747.

Seit November 2000 halten sich ständig Astro­nauten auf der Raumstation auf, im Februar 2001 dockte mit dem US-ameri­kanischen Destiny-Modul die erste Forschungs­einheit an. Damit konnte die Wissenschaft in rund 400 Kilometern Höhe und bei perma­nenter Schwere­losigkeit beginnen. Das DLR ist von Beginn an auf der ISS vertreten: Tatsächlich war es ein deutsch-russisches Experiment zur Unter­suchung von kalten Plasmen, das im Februar 2001 die natur­wissenschaftliche Forschung auf der Raum­station einleitete. Die Plasma­kristall­experimente gehören zu den erfolg­reichsten Forschungs­arbeiten auf der ISS. Mehr als 70 wissen­schaftliche Publi­kationen belegen den Wissens­zuwachs aus den Experi­menten der letzten 15 Jahre. Die Arbeiten haben grund­legende Erkennt­nisse erbracht, die insbe­sondere der Festkörper- und Flüssigkeits­physik dienen, aber auch Anwendungen in der Weltraum­physik, der Plasmaphysik und Plasma­technologie sowie der Fusions­forschung ermög­lichen.

Das wissen­schaftliche Herzstück für die euro­päische Forschung auf der Inter­nationalen Raumstation ist seit zehn Jahren das Weltraum­labor Columbus. In der Schwere­losigkeit gewinnen Forscher einzig­artige Erkennt­nisse aus unter­schiedlichsten Disziplinen, von Astrophysik über Material­forschung bis hin zu Psychologie und Behandlungs­möglichkeiten in der Medizin. Das Columbus-Raumlabor wurde im Auftrag der ESA entwickelt und dabei vom DLR eng betreut. Das German Space Operations Center (GSOC) beim DLR in Oberpfaffen­hofen steuert und überwacht den Betrieb des euro­päischen Raumlabors. Insgesamt haben die Besat­zungen der ISS bis heute insgesamt mehr als 2500 Experimente abge­schlossen. Mehr als 360 ESA-Experi­mente wurden bisher auf der ISS durchgeführt, etwa die Hälfte davon stammt aus Deutschland. Das Nutzer­unterstützer­zentrum MUSC des DLR in Köln überwacht und betreut die material­wissenschaftlichen Experi­mente.

Das erfolg­reiche Andocken des Columbus-Weltraum­labors an die ISS ist verbunden mit dem Namen Hans Schlegels. Der deutsche Astronaut hatte am 7. Februar 2008 mit dem Space Shuttle Atlantis seine Reise zur Raum­station angetreten. Für die Montage war er fast sieben Stunden außerhalb der ISS im freien Raum. Schlegel ist damit der zweite Deutsche nach Thomas Reiter, der einen Außenbord­einsatz durchgeführt hat. Reiter hatte im Sommer 2006 ein neues Kapitel aufge­schlagen, indem er als erster euro­päischer Langzeit­astronaut fast sechs Monate auf der Station verbrachte, um neben Wartungs- und Service­arbeiten mehr als dreißig wissen­schaftliche Experimente durchzuführen. Das dritte deutsche Besatzungs­mitglied auf der ISS ist Alexander Gerst, der 2014 während der Mission „Blue Dot“ sechs Monate lang als Bord­ingenieur auf der Raum­station arbeitete. Seinen zweiten Langzeit­aufenthalt hat der 42-jährige Physiker im Juni 2018 mit seiner Mission „horizons“ begonnen. Am 3.Oktober übernahm er als erster Deutscher und zweiter Europäer das Kommando auf der ISS. Während der aktuellen Mission arbeiten etwa 100 Wissen­schaftler, Ingenieure und Programm­manager in der ganzen Bundes­republik an 41 deutschen Experi­menten.

DLR / JOL

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