Das langsame Verdunsten von Wasser
Ein Zeitraffervideo verdeutlicht den Diffusionsvorgang.
Verdampft Wasser ohne merkliche Temperaturdifferenz zu seiner Umgebung, spricht man von Verdunsten. In unserem Versuch haben wir ein Becherglas mit 86 mm Innendurchmesser mit 500 ml Wasser gefüllt und im thermischen Gleichgewicht mit der Umgebung stehen lassen. Wie lange mag es dauern, bis alles verdunstet ist?
Detailliertere quantitative Modelle der Verdunstung starten von mikroskopischen Modellen. Kurz zusammengefasst bedeutet das Verdampfen von Molekülen, dass sich über der Wasseroberfläche eine dünne mit Wasserdampf gesättigte Gasschicht bildet. Diese ist im thermischen Gleichgewicht mit der darunter befindlichen Flüssigkeit (Zahl der Moleküle, die verdampfen, entspricht derjenigen die kondensieren). Also müssen die Moleküle in der Gasschicht bei 100 % relativer Feuchte in die Umgebungsluft (beispielsweise 50 %) abtransportiert werden, bevor effektiv weitere aus der Flüssigkeit in die Gasphase übergehen können. Die treibende Kraft für die Verdunstung ist also der Gradient der relativen Feuchte.
Die Zeitskala des Verdunstens ergibt sich aus dem Abtransport von H2O-Molekülen aus der gesättigten Gasschicht, der von Konvektionsströmen und eventuell Temperaturunterschieden abhängt. Für natürliche Konvektion im thermischen Gleichgewicht sind die Diffusionsströme sehr klein, die Zeiten also recht lang.
In einer einfachen Modellierung wird Verdunstung als Diffusion von Wassermolekülen durch die gesättigte Gasschicht über der Flüssigkeit angesehen, die einige Millimeter erreichen kann. Die Diffusionskonstante bestimmt dann die Verdunstungsrate. Entsprechende Modelle wurden durch Experimente in Windkanälen mit definierten Temperaturen und Strömungsgeschwindigkeiten Mitte der 1990er Jahre bestätigt. Die Zahlenwerte sind mit unseren folgenden Resultaten verträglich.
Das Video zeigt das Verdunsten von reinem Leitungswasser in Glasgefäßen mit verschiedenen Durchmessern und verschiedenen Gefäßhöhen über dem Wasserspiegel. Die Umgebungstemperatur schwankte leicht zwischen 22,5 °C und 24,2 °C, die relative Luftfeuchte im Raum lag immer bei 50 % oder leicht darunter.
Die komplette Verdunstung in den beiden Bechergläsern dauerte etwa sechs Wochen, entsprechend einer Verdunstungsrate von 2,1 mm/d. Das Verdunsten erfolgt in einem hohen schmalen Glaszylinder deutlich langsamer. Hier ist die Verdunstung durch die niedrigere Fläche und deutlich höhere Zylinderlänge um etwa einen Faktor fünf verringert.
Michael Vollmer, Klaus-Peter Möllmann, TH Brandenburg
Der Originalbeitrag ist in der aktuellen Ausgabe von Physik in unserer Zeit erschienen. Er beleuchtet das Verdunsten auch aus thermodynamischer Sicht.
Originalveröffentlichung
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