Ein Vierteljahrhundert für die Schwerelosigkeit
Die Parabelflüge des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) jähren sich dieses Jahr zum 25. Mal.
DLR / Alexander Pawlak
Seit 1999 organisiert die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR regelmäßig eigene Parabelflugkampagnen für biologische, humanphysiologische, physikalische, technologische und materialwissenschaftliche Experimente von deutschen Forschungseinrichtungen. Seit 2015 ist ein A310 ZERO-G der französischen Firma Novespace als Forschungsflugzeug im Einsatz. Es wird nicht nur für die wissenschaftliche Kampagnen des DLR genutzt, sondern auch von anderen Raumfahrtagenturen, etwa der Europäischen Weltraumorganisation ESA oder der französischen Raumfahrtagentur CNES.
Eine Parabelflugkampagne besteht in der Regel aus drei Flugtagen mit ungefähr vier Flugstunden, an denen jeweils 31 Parabeln geflogen werden. Während jeder Parabel herrscht für etwa 22 Sekunden Schwerelosigkeit. Insgesamt stehen bei einer Flugkampagne also circa 35 Minuten Schwerelosigkeit – im Wechsel mit normaler und nahezu doppelter Erdbeschleunigung – zur Verfügung, die Forschende für ihre Experimente nutzen können. Bis zu 40 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können an einem Flug teilnehmen.
Die aktuelle 42. Parabelflugkampagne fand vom 27. Mai bis 6. Juni 2024 in Bordeaux statt. Insgesamt waren elf Experimente von deutschen Forschungseinrichtungen an Bord. Neu dabei waren „interDropCoal“ sowie „MoKoGravEx“.
Bei „interDropCoal“ geht es um das Verständnis und die Kontrolle darüber, wie sich Tropfen beim Zusammenprall vermischen. Das ist für zahlreiche biomedizinische und technische Anwendungen von entscheidender Bedeutung. Diese Vermischung beeinflusst beispielsweise medizinische Inhalatoren, punktgerichtete Behandlungen, Flüssigkeitshandhabung im Weltraum, Kraftstoffeinspritzung oder auch Beschichtungs- und Kühlverfahren. Treffen zwei Flüssigkeitstropfen aufeinander, verschmelzen sie. Der Ablauf dieses Vorgangs, auch Koaleszenz genannt, gibt der Forschung bislang noch einige Rätsel auf. Im Experiment werden Kollision und Vermischung von Flüssigkeitstropfen unter Schwerelosigkeit untersucht.
Bei „MoKoGravEx“ handelt es sich um ein Exoskelett-Experiment. Bei Weltraummissionen werden mit den Händen zahlreiche feinmotorische Aufgaben ausgeführt, etwa Reparaturen an der Raumstation oder an Experimenten. Da feinmotorische Fähigkeiten unter Schwerelosigkeit aber nachlassen, werden Trainings entwickelt, die durch ein Exoskelett Mikrogravitation simulieren. Dies soll Astronautinnen und Astronauten in die Lage versetzen, diese Aufgaben schneller und leichter auszuführen.
Ein weiteres Experiment untersucht, wie Pflanzen Licht- und Gravitationsreize verarbeiten, um „von unten nach oben“ zu wachsen. Außerdem wird ein weiterentwickeltes Stirnband mit integriertem Sensor zur Messung und Aufzeichnung der Körperkerntemperatur bei Astronautinnen und Astronauten getestet, bevor es auf der Internationalen Raumstation ISS in ein Experiment integriert wird. Sein Vorgänger, Thermo-Mini, wird aktuell auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung in Berlin ausgestellt. Es kam erstmalig 2021 während der Mission Cosmic Kiss auf der ISS zum Einsatz.
„Ich freue mich, dass es das DLR-Parabelflugprogramm nun schon seit 25 Jahren für die deutschen Forschenden gibt – es erlaubt ihnen, wichtige Experimente in der Grundlagenforschung und der angewandten Forschung selbst in Schwerelosigkeit durchzuführen. Wir hoffen, dass wir das Programm noch viele weitere Jahre anbieten können“, betont Katrin Stang, Leiterin des DLR-Parabelflugprogramms.
Weiter Informationen
- DLR Parabelflug
- Broschüre: Die DLR-Parabelflüge – Forschen in Schwerelosigkeit PDF
- Video: Parabelflüge im größten Parabelflugzeug der Welt - schwerelos forschen (DLR, YouTube)
Weitere Beiträge
- Maike Pfalz / DLR, Von Paderborn zurück nach Bordeaux, Physik Journal, Oktober 2022, S. 10 PDF
- Stefan Jorda, Vom VIP- zum Forschungsflugzeug, Physik Journal, Juni 2015, S. 11 PDF
- A. Pawlak, Der Freund des Atoms – Zum 100. Geburtstag von Heinz Haber (Physik Journal Nachrichten, 15. Mai 2013)
Heinz und Fritz Haber entwickelten Anfang der 1950er-Jahre wichtige Grundlagen für Parabelflüge. - Matthias Sperl, Granular und schwerelos, Physik Journal, März 2013, S. 24 PDF
Meist gelesen
Tote Fische schwimmen (fast) besser
Am Massachusetts Institute of Technology wurden die diesjährigen Ig Nobel Prizes verliehen.
Pionier der Lasertheorie gestorben
Der theoretische Physiker Hermann Haken, Begründer der Synergetik, ist im Alter von 97 Jahren gestorben.
Gibt es ein Quant der Entropie?
Die Rolle von Wärme in der Quantenwelt ist Titelthema in der neuen „Physik in unserer Zeit“.
Führungswechsel bei SmarAct
Michael Weigel-Jech steht an der Spitze des Unternehmens für Hochpräzisionspositioniertechnik.
Wie weit ist die Kernfusionsforschung?
Neuer Report über den Status quo von den deutschen Wissenschaftsakademien.