Energie aus der Tiefe
Verbundprojekt erforscht temperaturbedingte Gesteinsveränderungen in geothermischen Reservoirs.
Geothermie kann in Deutschland einen entscheidenden Beitrag zur Energiewende leisten und die Abkehr von fossiler hin zu einer klimaneutralen Energieversorgung unterstützen. Wichtig für die gesellschaftliche Akzeptanz ist allerdings, die Risiken wie beispielsweise Erdbeben zu minimieren. Welchen Einfluss dabei Veränderungen in tiefen geothermischen Reservoirs haben, die durch den Kontakt zwischen heißem Gestein und kaltem Wasser entstehen, untersucht ein neues Forschungsprojekt unter Leitung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. „Wir wollen verstehen, welchen Einfluss die thermisch induzierte Rissbildung auf Gesteinseigenschaften wie etwa Permeabilität und Festigkeit hat, was wiederum einen Einfluss auf die Menge des förderbaren Thermalwassers oder auf die Seismizität haben könnte – auch wenn wir diese kleinen Beben meist gar nicht wahrnehmen“, sagt Miriam Christina Reiss, Koordinatorin des Projekts „Trigger“ – Durch thermisch induzierte Spannungsänderungen verursachte Bildung von Brüchen und Änderungen der Permeabilität in geothermischen Reservoirs –, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wird und im April 2025 seine Arbeit aufgenommen hat.

Bei der tiefen Geothermie werden natürliche Thermalwasserreservoire in mehr als 1.500 Meter Tiefe für die Strom- oder Wärmegewinnung erschlossen. Die Temperatur steigt durchschnittlich um etwa drei Grad pro 100 Meter an. Zur Nutzung der Erdwärme wird dem Untergrund heißes Wasser entzogen. Das nach der Wärmenutzung abgekühlte Wasser wird dem Untergrund anschließend wieder zugeführt. Im Oberrheingraben beträgt der Wärmegradient sogar fünf Grad pro 100 Meter, die geothermisch nutzbaren Schichten liegen in einer Tiefe von drei bis fünf Kilometer – sind also im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit noch gut erreichbar und können hohe Wärmemengen liefern.
„Vor allem wegen der Nähe zum Oberrheingraben spielt die Geothermie in Rheinland-Pfalz eine wichtige Rolle“, erklärt Reiss. Im Oberrheingraben liegen die Injektionstemperaturen des zugeführten Wassers derzeit typischerweise bei 70 Grad Celsius – eine weitere Absenkung könnte jedoch zu einem höheren Wärmeertrag und größerer Produktivität beitragen. Daraus resultierende Effekte auf die Gesteine im Untergrund sollen untersucht werden.
Durch den Kontakt zwischen kaltem Wasser und deutlich wärmerem Gestein können Rissbildungen und Veränderungen in der Porosität oder Permeabilität des Gesteins erfolgen, was Auswirkungen bezüglich der zu erwartenden Seismizität zur Folge haben kann. Denn die kleinskaligen Prozesse verursachen lokale Veränderungen der Gesteinseigenschaften, die wiederum Auswirkungen auf das großskalige Reservoirverhalten zeigen. Wie es sich mit diesen kleinskaligen Prozessen im Untergrund genau verhält, soll im Verbundprojekt erforscht werden. „Wir werden dazu im Labor Proben von Bohrkernen aus bis zu drei Kilometer Tiefe untersuchen. Wir analysieren dabei die thermischen, mechanischen, strukturellen und chemischen Eigenschaften“, erklärt Reiss. Um die ablaufenden Prozesse nachzustellen und besser zu verstehen, wird das Gestein unter anderem deformiert, es wird kaltes Wasser in erhitzte Gesteinsproben eingeleitet und mithilfe von Sensoren festgestellt, ob und wie das Material bricht.
Zudem werden die Laborversuche in Computermodellen nachgestellt, um ein tieferes Verständnis der ablaufenden Prozesse für einen weiten Bereich von Gesteinseigenschaften und Temperaturen zu gewinnen. „Im Labor können wir Untersuchungen vornehmen, die im Feld so nicht möglich sind“, erklärt die Geophysikerin. „Mit dieser Forschung wollen wir zum einen die Prozesse besser verstehen, zum anderen aber auch die Möglichkeiten für eine effizientere Nutzung ausloten.“ Ein Ziel des Verbundprojekts ist es daher, die langfristigen Auswirkungen von Temperaturänderungen von mindestens 100 Grad auf die Rissbildung und die Wechselwirkungen zwischen eingeleiteter Flüssigkeit und Gestein zu bestimmen.
Damit sollen die Forschungen auch dazu beitragen, das Risiko von induzierter Seismizität genauer zu analysieren. „Die Bevölkerung steht der Geothermie heute viel aufgeschlossener gegenüber als früher. Wir wollen dazu beitragen, ein besseres Verständnis für die Abläufe zu gewinnen und die Risiken bei der Nutzung der Erdwärme zu verringern“, so Reiss. Das Geothermiekraftwerk bei Insheim in der Vorderpfalz ist seit über zehn Jahren in Betrieb und liefert grünen Strom. Weitere Geothermieprojekte zur Wärmeversorgung sind in Rheinland-Pfalz in Planung, so zum Beispiel in Speyer und Wörth am Rhein.
JGU Mainz / JOL