Einfache untere Luftspiegelungen lassen sich an Sommertagen fast täglich über langen erhitzten Straßen beobachten. Das von kälterer, optisch dickerer Luft von oben auf die warme, optisch dünnere Luftschicht in Straßennähe einfallende Licht wird vom Lot weggebrochen. Bei geeignet flachem Einfallswinkel kann es zu einer Richtungsumkehr kommen, quasi einer Totalreflexion an der heißen bodennahen Luftschicht. Insofern sieht ein Beobachter zusätzlich zum realen Bild des Objekts ein weiteres „gespiegeltes“ auf dem Kopf stehendes Bild.
Ähnlich, aber deutlich seltener sind obere Luftspiegelungen, auch Fata Morgana genannt, bei Vorliegen von Inversionsschichten in der Atmosphäre. Warme Luft liegt stabil über kälterer Luft, jetzt befindet sich das optisch dünne Medium über dem optisch dichten. Dies führt zu einer Krümmung der von unten einfallenden Lichtstrahlen vom Lot weg. Unter geeigneten Bedingungen wird das Licht wieder zum Boden zurückgekrümmt. Wegen der im Vergleich zur heißen Straße umgedrehten optischen Verhältnisse entspricht dies einer Spiegelung in der Höhe. Entsprechend benennt man dadurch beobachtbare zusätzliche Spiegelbilder als obere Luftspiegelungen.
In der Atmosphäre treten Luftspiegelungen mit räumlichen Dimensionen im Kilometerbereich auf, weil der Brechungsindexunterschied von kalter zu warmer Luft in der Größenordnung 10-5 sehr klein ist und damit auch nur eine geringe Krümmung der Lichtstrahlen auftritt. Im Laborexperiment lassen sich gekrümmte Lichtstrahlen zum Beispiel mit Leitungswasser über Salzwasser realisieren. Hier sind die Brechungsindexunterschiede mit 0,03 deutlich größer als in der Luft und Krümmungseffekte ähnlich der Luftspiegelung können schon bei Dimensionen von unter einem Meter auftreten.
Abbildung 1 zeigt den Aufbau eines solchen Experiments als seitlichen Querschnitt: der Laserstrahl breitet sich hier senkrecht zur Zeichenebene aus. Wiederum wird die Schichtung von Leitungswasser über Salzwasser erzeugt. Man beobachtet ein schräg gestelltes Lineal, einen Schriftzug sowie einen dreifarbigen Spielzeugleuchtturm durch das 10 cm breite Wasserbecken hindurch.
Je nach Qualität der Präparation kann man anfangs bis zu drei gut getrennte Bilder beobachten, was am besten am Schriftzug erkennbar ist. Das Zeitraffervideo zeigt nun die Entwicklung über 21 Stunden hinweg, hervorgerufen durch die langsame Durchmischung der beiden Flüssigkeiten. Das Objekt erscheint bald nur noch stark vertikal gedehnt, diese Verzerrung verschwindet dann langsam. Der Leuchtturm zeigt diese Dehnungseffekte sehr schön durch das Verhältnis der verschieden gefärbten Flächen. Schriftzug und Leuchtturm sehen nach 21 Stunden schon mehr oder weniger normal aus. Daher lässt sich mit bloßem Auge nicht entscheiden, ob die Durchmischung vollständig erfolgt ist. Das Bild des schräg stehenden Lineals ist jedoch noch deutlich verbogen. Hier dauerte es deutlich länger als drei Tage, bevor eine ungestörte schräge Gerade beobachtbar war. Erst dann hatte der Diffusionsprozess zu einer homogenen Lösung geführt. Dies ist in Übereinstimmung mit groben Abschätzungen.
Die Durchbiegung des Bildes des Lineals erinnert an eine früher bekannte Methode der Bestimmung der Diffusionskonstanten D von Flüssigkeiten nach Wiener. Danach wurde ein aufgefächerter Lichtstrahl durch ein geschichtetes System auf einen Schirm projiziert. Im homogenen Fall ergibt sich eine Gerade, bei dem Schichtsystem mit Diffusion dagegen eine Verbiegung, aus der sich D quantitativ bestimmen lässt.
Michael Vollmer, Klaus-Peter Möllmann,TH Brandenburg
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