Nix mit X?
Deutsche Wissenschaftsorganisationen verlassen den Kurznachrichtendienst X, vormals Twitter.
Alexander Pawlak
Gehen oder bleiben? Diese Frage stellt sich im Hinblick auf den Kurznachrichtendienst X auch für die Wissenschaft. Das soziale Netzwerk wurde 2006 unter dem Namen Twitter gegründet und 2022 mehrheitlich vom Multimilliardär Elon Musk übernommen und in X unbenannt.
Mit der Übernahme änderte sich der Charakter des Netzwerks stark und es geriet in Kritik, weil es verstärkt extremistische Äußerungen, Fake News und Verschwörungstheorien verbreitete. Mittlerweile versuchen sich Alternativen zu X zu etablieren, etwa Bluesky oder Mastodon.
Bereits Mitte Januar haben die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die Leibniz-Gemeinschaft X verlassen. Andere Mitglieder der Allianz der Deutschen Wissenschaftsorganisationen, die nicht mehr über X kommunizieren, sind der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) und der Wissenschaftsrat.
Weiterhin auf X zu finden sind etwa die Alexander von Humboldt-Stiftung, die Fraunhofer-Gesellschaft, die Helmholtz-Gemeinschaft, die Hochschulrektorenkonferenz, die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina oder die Max-Planck-Gesellschaft.
Am 10. Januar erklärten über 60 Hochschulen, Universitäten und Forschungsinstitute, ihre Aktivitäten auf X einzustellen, darunter die Freie Universität Berlin und die Humboldt-Universität zu Berlin, die Universitäten in Dresden, Düsseldorf, Frankfurt/Main, Heidelberg oder die RWTH Aachen. Auch hier wird als Begründung für den Rückzug die fehlende Vereinbarkeit der aktuellen Ausrichtung der Plattform mit den Grundwerten der beteiligten Institutionen genannt.
„Wissenschaft lebt von Freiheit, Weltoffenheit und Toleranz in einer demokratischen Gesellschaft und kann selbst in vielfacher Weise zu diesen beitragen. Ihre verbindende Kraft ist umso wichtiger, je mehr das pluralistische Miteinander Anfechtungen ausgesetzt ist. Aus diesem Grunde waren wir lange davon überzeugt, dass es gut und richtig ist, auch auf der Plattform X, vormals Twitter, aktiv zu sein“, betont etwa DFG-Präsidentin Katja Becker.
Nach der Übernahme von Twitter durch Elon Musk sei dies zunehmend schwieriger geworden, da die Plattform in den vergangenen Monaten zu einem immer wissenschaftsferneren Umfeld geworden sei. „Zusammen mit den jüngsten tages- und parteipolitischen Äußerungen auf X ist nun für uns die rote Linie überschritten. Sie sind auch Angriffe auf die Werte, für welche die DFG steht und für die sie sich intensiv engagiert“, sagt Katja Becker.
Ähnlich urteilt die Leibniz-Gemeinschaft: „X hat sich zu einer Plattform entwickelt, die Verbreitung von Desinformation und Menschen- und Demokratiefeindlichkeit in einem erschreckenden Maß begünstigt. Der Verbleib auf der Plattform X ist daher mit unseren Werten nicht mehr vereinbar“, erklärt Leibniz-Präsidentin Martina Brockmeier.
In der Regel beteiligen sich die Wissenschaftsorganisationen, Hochschulen und Institute, die sich von X verabschiedet haben, auf anderen Social-Media-Kanälen weiter am öffentlichen Diskurs.
Die Deutsche Physikalische Gesellschaft ist auf Facebook, LinkedIn, Instagram und YouTube aktiv, nicht aber auf X. Das Physik Journal hat seine Aktivitäten auf X zum 31. Januar eingestellt und bleibt auf Facebook und LinkedIn präsent. Weiterhin informiert die Redaktion über den zweiwöchentlichen Newsletter und auf der Website.
Weitere Infos
- DFG verlässt Plattform X (14. Januar 2025)
- Die Leibniz-Gemeinschaft verlässt X (14. Januar 2025)
- Hochschulen und Forschungsinstitutionen verlassen Plattform X (10. Januar 2025)
Weitere Beiträge
- Appell an die Hochschulrektorenkonferenz zur Nutzung sozialer Medien (OpenPetition)
- Bleiben, wo es lärmt und stinkt: Warum die Wissenschaft Elon Musks X nicht verlassen sollte (RiffReporter)
- Wer auf Fehlinformationen hereinfällt und warum (Max-Planck-Gesellschaft, 5. Februar 2025)
- A. Hauck, Kein X für ein U, Physik Journal, Januar 2025, Ss. 13 (PDF)
- Philip Willke, Über Wissenschaft zwitschern, Physik Journal,Februar 2023, S. 3 PDF