Mit Supercomputern das Rätsel der Jets lösen
Theoretische Astrophysiker der Goethe-Universität haben einen numerischen Code entwickelt, mit dem sie beschreiben können, wie Schwarze Löcher die Energie aus ihrer Rotation in relativistische Jets umsetzen.
Die Jets von Aktiven Galaktischen Kernen entstehen in der Nähe rotierender Schwarze Löcher. Sie tragen dazu bei, Energie und Materie im Universum zu verteilen, und sie können die Entwicklung ganzer Galaxien beeinflussen. Das Team von Astrophysikern an der Goethe-Universität unter der Leitung von Luciano Rezzolla hat einen numerischen Code entwickelt, den „Frankfurt particle-in-cell code for black hole spacetimes (FPIC)“, der mit hoher Genauigkeit die Prozesse beschreibt, die zur Umwandlung von Rotationsenergie in einen Teilchenstrahl führen. Das Ergebnis: neben dem Blandford-Znajek-Mechanismus, demzufolge starke Magnetfelder für die Umwandlung der Rotationsenergie verantwortlich sind, ist ein weiterer Prozess an der Energieentnahme beteiligt: die Rekonnexion von Magnetfeldlinien, wodurch magnetische Energie in Wärme, Strahlung und Plasmaeruptionen umgewandelt wird.

Der FPIC-Code simuliert die Entwicklung einer riesigen Anzahl geladener Teilchen und extremer elektromagnetischer Felder unter dem Einfluss der starken Gravitation des Schwarzen Lochs. Claudio Meringolo, Hauptentwickler des Codes, erklärt: „Die Simulation solcher Prozesse ist entscheidend für das Verständnis der komplexen Dynamik relativistischer Plasmen in gekrümmten Raumzeiten in der Nähe kompakter Objekte, die durch das Zusammenspiel extremer Gravitations- und Magnetfelder bestimmt werden.“
Für die Untersuchungen waren höchst aufwendige Supercomputer-Simulationen erforderlich, die Millionen von CPU-Stunden auf dem Frankfurter Supercomputer Goethe sowie auf dem Stuttgarter Supercomputer Hawk beanspruchten. Die enorme Rechenleistung war notwendig, um die Maxwell-Gleichungen und die relativistischen Bewegungsgleichungen von Elektronen und Positronen zu lösen.
In der Äquatorebene des Schwarzen Lochs zeigten die Berechnungen intensive Rekonnexionsaktivität, die zur Bildung einer Kette von Plasmoiden führt – kondensiertem Plasma in Energie-Blasen – die sich mit annähernd Lichtgeschwindigkeit bewegen. Den Wissenschaftlern zufolge geht dieser Prozess geht mit der Erzeugung von Teilchen mit negativer Energie einher, die extreme astrophysikalische Erscheinungen wie Jets und Plasmaeruptionen antreibt.
„Unsere Ergebnisse eröffnen die faszinierende Möglichkeit, dass der Blandford-Znajek-Mechanismus nicht der einzige astrophysikalische Prozess ist, der Rotationsenergie aus einem Schwarzen Loch extrahieren kann“, sagt Filippo Camilloni, der ebenfalls am FPIC arbeitete, „sondern dass auch die magnetische Rekonnexion dazu beiträgt.“
„Wir können mit unserer Arbeit zeigen, wie Energie effizient aus rotierenden Schwarzen Löchern extrahiert und in Jets kanalisiert wird“, sagt Rezzolla. „So können wir dazu beitragen, die extremen Leuchtkräfte Aktiver Galaxienkerne sowie die Beschleunigung von Teilchen bis fast auf Lichtgeschwindigkeit erklären“. Es sei unglaublich spannend und faszinierend, über ausgefeilte numerische Codes besser verstehen zu können, was in der Nähe eines Schwarzen Lochs geschehe. „Gleichzeitig ist es noch lohnender, die Ergebnisse dieser komplexen Simulationen mit einer strengen mathematischen Behandlung erklären zu können – so wie wir es in unserer Arbeit getan haben.“ [GU / dre]
Weitere Informationen
- Originalveröffentlichung
C. Meringolo, F. Camilloni, and L. Rezzolla, Electromagnetic Energy Extraction from Kerr Black Holes: Ab Initio Calculations, Astrophys. J. Lett. 992(1), L8, 6. Oktober 2025; DOI 10.3847/2041-8213/ae06a6 - Relativistic Astrophysics (RelAstro) group (Luciano Rezzolla), Institut für Theoretische Physik, Goethe-Universität Frankfurt am Main