21.11.2025 • Sonnensystemforschung

Der Global Killer kam aus der Nachbarschaft

Reverse Engineering: Aus den „Zutaten“ des Einschlagskörpers lässt sich auf Theias Entstehungsort schließen. Dieser liegt im inneren Sonnensystem, wahrscheinlich sonnennäher als der der Erde.

Vor etwa 4,5 Milliarden Jahren kam es zu dem wohl folgenreichsten Ereignis in der Geschichte unseres Planeten: Ein gewaltiger Himmelskörper, genannt Theia, schlug in die junge Erde ein. Wie sich der Zusammenstoß abspielte und was genau danach geschah, ist nicht endgültig geklärt. Sicher ist jedoch, dass sich als Folge Größe, Aufbau, Zusammensetzung und Umlaufbahn der Erde veränderten – und dass der Einschlag die Geburtsstunde unseres ständigen Begleiters im All, des Mondes, war.

Künstlerische Darstellung des Zusammenstoßes der frühen Erde mit Theia. Da Theia aus dem inneren Sonnensystem stammt, ist in dieser Perspektive im Hintergrund die Sonne zu sehen. 
[weniger]

© MPS / Mark A. Garlick
Künstlerische Darstellung des Zusammenstoßes der frühen Erde mit Theia. Da Theia aus dem inneren Sonnensystem stammt, ist in dieser Perspektive im Hintergrund die Sonne zu sehen.
Quelle: MPS / Mark A. Garlick

Was war das für ein Körper, der den Werdegang unseres Planeten so dramatisch umschrieb? Wie groß war Theia? Aus welchem Material bestand sie? Und aus welchem Teil des Sonnensystems raste sie auf die Erde zu? Antworten auf solche Fragen zu finden, ist schwierig. Schließlich wurde Theia bei der Kollision vollständig zerstört. Dennoch finden sich noch heute Spuren von ihr, etwa in der Zusammensetzung der heutigen Erde und des Mondes. In der aktuellen Untersuchung schließen Forschende unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) und der Universität von Chicago auf diesem Wege auf die mögliche „Zutatenliste“ von Theia – und so auf ihren Entstehungsort.

Besonders aussagekräftig sind die Verhältnisse, in denen bestimmte Metallisotope in einem Körper vorliegen. Isotope sind Varianten desselben Elements, die sich allein durch die Anzahl ihrer Neutronen im Atomkern – und damit durch ihr Gewicht – unterscheiden. Im frühen Sonnensystem dürften die Isotope eines jeweiligen Elementes nicht gleichverteilt gewesen sein: Am äußeren Rand des Sonnensystems etwa kamen die Isotope in einem minimal anderen Verhältnis vor als in Sonnennähe. Informationen über die Herkunft seines ursprünglichen Baumaterials bleibt auf diese Weise in der Isotopenzusammensetzung eines Körpers gespeichert.

In der aktuellen Arbeit bestimmte das Forscherteam erstmals das Verhältnis verschiedener Eisenisotope in Erd- und Mondgestein mit bisher unerreichter Genauigkeit. Dafür untersuchen sie fünfzehn Proben typischen Erdgesteins und sechs Gesteinsproben, die Astronauten der Apollo-Missionen zurück zur Erde gebracht haben. Das Ergebnis überrascht kaum: Wie schon frühere Messungen der Isotopenverhältnisse von Chrom, Kalzium, Titan und Zirkonium ergeben hatten, sind Erde und Mond in dieser Hinsicht nicht unterscheidbar.

Mehr zu Theia

Photo
Photo
Photo
Photo
Photo

Doch die große Ähnlich­keit erlaubt keinen direkten Rück­schluss auf Theia. Dafür sind zu viele Kol­lisions­szena­rien denk­bar. Zwar gehen die meis­ten Modelle davon aus, dass sich der Mond fast aus­schließ­lich aus Mate­rial von Theia formte. Es ist aber auch mög­lich, dass er vor­nehm­lich aus Mate­rial des frühen Erd­mantels besteht oder dass sich das Ge­stein von Erde und Theia un­trenn­bar durch­mischte.

Um dennoch mehr über Theia zu erfah­ren, wand­ten die For­schen­den eine Art Re­verse Engi­nee­ring für Plane­ten an. Aus­ge­hend von den über­ein­stim­menden Isotopen­verhält­nissen in heutigem Erd- und Mond­gestein spielten das Team durch, welche Zusam­men­setzungen und Größen von Theia sowie welche Zusam­men­setzung der frühen Erde zu diesem End­zustand geführt haben könnten. Die For­schen­den schau­ten in ihren Unter­suchungen nicht nur auf Eisen­isotope, sondern auch auf solche von Chrom, Molyb­dän und Zir­ko­nium. Die ver­schie­denen Ele­mente ver­schaf­fen Zugang zu unter­schied­lichen Phasen der Planeten­entstehung.

Lange vor der verheerenden Begegnung mit Theia hatte sich im Innern der frühen Erde eine Art Sortier­prozess abgespielt. Mit Entstehung des Eisen­kerns reicherten sich manche Elemente wie etwa Eisen oder Molybdän dort an; im Gesteins­mantel fehlten sie danach weitgehend. Das Eisen, das sich heute im Erdmantel findet, kann also erst nach der Kernbildung „zuge­reist“ sein, etwa an Bord von Theia. Andere Elemente wie Zirkonium, die nicht in den Kern sanken, dokumen­tieren hingegen die gesamte Entstehungs­geschichte unseres Planeten.

Von den rechnerisch möglichen Zusammen­setzungen von Theia und der frühen Erde, die sich in den Berech­nungen ergaben, scheiden einige als unplausibel aus. „Das überzeu­gendste Szenario ist, dass der Großteil des Bau­materials von Erde und Theia aus dem inneren Sonnen­system stammt. Erde und Theia dürften Nachbarn gewesen sein“, so MPS-Wissen­schaftler Timo Hopp.

Während sich die Zusammen­setzung der frühen Erde überwiegend als Mischung bekannter Meteoriten­klassen darstellen lässt, ist dies bei Theia nicht der Fall. Verschiedene Meteoriten­klassen sind in unterschiedlichen Bereichen des äußeren Sonnen­systems entstanden. Sie dienen deshalb als Referenz­material für das Baumaterial, das bei der Entstehung der frühen Erde und von Theia zur Verfügung stand. Bei Theia dürfte auch eine größere Menge bisher unbe­kannten Materials im Spiel gewesen sein, dessen Ursprung die Forschenden näher an der Sonne verorten als die Erde. Die Rechnungen sprechen deshalb dafür, dass Theia sonnen­näher entstanden ist als unser Planet. [MPS / dre]

Anbieter

Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung

Justus-von-Liebig-Weg 3
37077 Göttingen
Deutschland

Kontakt zum Anbieter







Anbieter des Monats

SmarAct GmbH

SmarAct GmbH

Mit der Entwicklung und Produktion von marktführenden Lösungen im Bereich hochpräziser Positioniertechnik, Automatisierungslösungen und Metrologie begleitet die SmarAct Group ihre Kunden zuverlässig bei der Realisierung ihrer Ziele.

Content Ad

Auf der Suche nach dem besten Signal-Rausch-Verhältnis?

Auf der Suche nach dem besten Signal-Rausch-Verhältnis?

Bringen Sie Ihre Messungen auf ein neues Level - wie weltweit bereits mehr als 1000 Labore vor Ihnen. Der MFLI Lock-In Verstärker setzt Maßstäbe in der Signalanalyse und in einem herausragenden Signal-Rausch-Verhältnis.

Meist gelesen

Themen