Industriephysiker mit Strahlkraft
Der amerikanische Physiker William Coolidge wurde vor 150 Jahren geboren. Er war ein Innovator der Röntgentechnik.
Anne Hardy
William Coolidge glückten bei der amerikanischen Firma General Electric zwei bedeutende technische Leistungen: die Entwicklung einer langlebigen, leuchtstarken Glühbirne und die Verbesserung der Röntgenröhre. In beiden Fällen war die Verarbeitung von Wolfram der Schlüssel zum Erfolg.
„Your lamps are already in town“, schrieb Martha Coolidge ihrem Sohn im Herbst 1907 aus Hudson, Massachusetts. William, geboren am 23. Oktober 1873, war ihr einziger Sohn. Er hatte den Bauernhof seiner Eltern nach der Schule verlassen, um mit einem Stipendium Ingenieurwissenschaften am Boston Tech (heute MIT) zu studieren. Da er sich für Forschung interessierte, nahm er dort nach seinem Abschluss zunächst eine Stelle als Assistent Professor in der Physik an und ging bald darauf mit einem weiteren Stipendium an das Institut von Paul Drude in Leipzig. 1898 traf er dort auch Wilhelm Conrad Röntgen. Der junge Coolidge war von dem Austausch mit Röntgen tief beeindruckt. Während der zwei Jahre in Leipzig schloss Coolidge seine Dissertation ab, die in den „Annalen der Physik“ veröffentlicht wurde.
Zurück am Bosten Tech wurde er Assistent Professor in der Chemie, wo er Bekanntschaft mit Willis Whitney machte. Fünf Jahre später, 1905, holte ihn Whitney in das Forschungslabor der General Electric (GE) in Schenectady im Bundesstaat New York. Zu dieser Zeit stellte die General Electric Kohlenstoff-Fadenlampen her. Gegenüber den Glühbirnen Edison, die nur 100 Stunden brannten, lag deren Lebensdauer bei 500 Stunden. Aber die Konkurrenz in Europa war dem Unternehmen dicht auf den Fersen. In Deutschland hatte Carl Auer von Welsbach erstmals hell leuchtende Drähte aus Osmium gefertigt; Alexander Just und Franjo Hanaman hatten in Wien Wolfram für Glühstrümpfe verarbeitet.
Die Aufgabe des GE-Teams aus 30 Forschern unter der Leitung von Whitney war klar: Finde ein Material, das sich zu haarfeinen Drähten ausziehen lässt und gleichzeitig Temperaturen von mehreren Tausend Grad Celsius standhält, ohne brüchig zu werden. Die Suche sollte sich dabei auf hochschmelzende Metalle konzentrieren, die jedoch aufgrund eben jener Eigenschaft schwer zu verarbeiten sind. Coolidge untersuchte zunächst über mehrere Monate Tantal, das in Birnen über 900 Stunden glühte. Im Wechselstromnetz, das in den USA vorherrschte, wurden die feinen Drähte jedoch schnell brüchig.
Nachdem Coolidge sich kurzeitig dem Molybdän zugewandt hatte, ging er zu Wolfram über, das von allen Elementen den höchsten Schmelz- und Siedepunkt hat. GE hatte inzwischen das österreichische Patent von Just und Hanaman erworben. Auf dieser Basis arbeitete Coolidge ein Verfahren aus, mit dem er das Metall ausreichend biegsam machen konnte, um es bei Raumtemperatur zu bearbeiten. Stolz berichtete er seinen Eltern 1907: „The outlook for my method is certainly very bright now.“
Nach weiteren drei Jahren war Coolidges Verfahren reif für die Massenproduktion. Um das Material zu dünnen Fäden auszuziehen, adaptierte er ein Verfahren zur Herstellung von Nähnadeln und Drähten. In Verpressungsmaschinen hämmerten tausende Schläge pro Minute den Draht immer dünner. Dann wurde er durch ein sich verjüngendes Metallrohr gezogen und schließlich mit Diamantstempeln noch dünner gepresst. In dem 1913 angemeldeten Patent hatten die Drähte nur noch einen Durchmesser von zwei Mikrometern. Ainissa Ramirez hat den Forschungsprozess ausführlich in der Zeitschrift „American Scientist“ beschrieben.
Zu einer weiteren Verbesserung der Wolfram-Glühbirne trugen die Arbeiten Irving Langmuirs bei, der 1909 von Göttingen in das Forschungslabor der GE gekommen war. Er hatte in seiner Doktorarbeit die Wärmeübertragung in Gasen bei hohen Temperaturen untersucht und konnte bald zeigen, dass sich die Lichtausbeute verdoppeln ließ, wenn man die Glühbirne nicht evakuierte, sondern mit einem Edelgas füllte. Diese Lampen leuchteten zehnmal heller als die frühen Kohlefadenlampen von Edison.
Ab 1911 produzierte GE etliche Kilometer Wolframdraht. Unter dem Markennamen „Mazda“ nach dem persischen Gott des Lichts, kamen Millionen Glühbirnen mit Wolfram-Glühfäden auf den Markt. Bis 1916 hatten 85 Prozent der in den USA verkauften Glühbirnen einen Wolfram-Glühstrumpf. Bis zur Einführung der Halogen-Sparlampen sollten sie markführend bleiben.
Nachdem er die Bearbeitung von Wolfram gemeistert hatte, lag es für Coolidge nahe, es auch in anderen elektrischen Apparaten einzusetzen. Wegen des hohen Schmelzpunktes und der guten Leitfähigkeit, erprobte er Wolfram zunächst als Material für elektrische Kontakte, die zu dieser Zeit meist aus Platin bestanden. Obwohl Wolfram schneller oxidiert als Platin, erwies es sich in vielen Kontexten als brauchbar. Insbesondere wurde es für Autozündungen zum bevorzugten Material.
Möglicherweise inspirierte seine Arbeit an Kontakten Coolidge 1913 auch dazu, die Platin-Anode in Röntgenröhren durch Wolfram zu ersetzen. Der Betrieb der frühen Gasentladungsröhren war damals selbst für geübte Röntgenärzte schwierig, weil man Spannung und Strom in der Röhre nicht unabhängig voneinander regulieren konnte. Deshalb benötigte man Röhren mit verschiedenen Graden der Evakuierung (weiche, mittelstarke und harte Röhren). Langmuir war damals mitten in einer umfassenden Studie über die Glühemission von Elektronen. Er fand heraus, dass er eine kontrollierbare Elektronenemission erzielen konnte, wenn er Wolframfäden im Hochvakuum erhitzte. Coolidge ersetzte daraufhin die Anode in der Röntgenröhre durch einen Wolframdraht und die Kathode durch eine Wolframscheibe. Diese Röhre, die GE bald als Coolidge-Röhre vermarktete, verbreitete sich rasch in der medizinischen Anwendung. Zusätzlich wurde sie in der zerstörungsfreien Werkstoffprüfung eingesetzt.
Für William Coolidge waren die Jahre des größten beruflichen Erfolgs von dem plötzlichen Tod seiner Frau überschattet, der ihn 1915 nach sieben Jahren Ehe mit zwei kleinen Kindern zurückließ. Ein Jahr später heiratete er die Krankenschwester Dorothy MacHaffie, die sich nach dem Tod seiner Frau um die Kinder gekümmert hatte.
1932 wurde William Coolidge zum Leiter des GE-Forschungslabors und in demselben Jahr erhielt Irving Langmuir als erster Industriephysiker den Physik-Nobelpreis. Während der Wirtschaftsdepression in den 1930er-Jahren meisterte Coolidge die schwierige Aufgabe, sein Labor am Leben zu erhalten.
Als in Europa der Zweite Weltkrieg ausbrach, wurde Coolidge, der inzwischen das Rentenalter erreicht hatte, in Präsident Roosevelts „Advisory Committee on Uranium“ gewählt. Zwei seiner Mitarbeiter isolierten in Zusammenarbeit mit der University of Minnesota erstmals Uran-235 und zeigten, dass dies das spaltbare Isotop war. Nachdem Coolidge Ende 1944 in Rente gegangen war, stand er der GE noch lange als Berater zur Seite.
Bei seinen Mitarbeitern war Coolidge beliebt. Sein Amtsnachfolger, C. G. Suits, beschreibt ihn als freundlich, rücksichtsvoll und bescheiden. Er erfreute sich einer ausgezeichneten Gesundheit starb am 3. Februar 1975 im Alter von 101 Jahren.